Mo, 14.08.2017 , 18:11 Uhr

Eine Konzertorgel erhält ihre Seele - Intonation ist mehr als stimmen

Dresden – Seit Januar zieht die neue Konzertorgel in den Saal des Kulturpalastes Dresden ein. Mitarbeiter der Firma Eule haben tausende Teile, wie Holzpfeifen, Bälge für Wind, Windladen auf drei Ebenen montiert. Jetzt bekommt die Orgel mit der Intonation ihre Seele, ihren Klang. Am Freitag, 8. September 2017 wird sie zu ihrem Einweihungskonzert zu hören sein. Mit der Drehscheibe-Sommertour hat sich Jonathan Wosch die Arbeiten angeschaut.

Bei der Intonation gestalten Spezialisten den Klang der Orgelpfeifen. Jede einzelne Pfeife wird mit bearbeitet, um Klangfarbe und Lautstärke für einen stabilen Ton anzupassen, den sie nach der Herstellung noch nicht hat. Außerdem sollen alle Pfeifen eines Registers miteinander harmonieren. Der Intonateur muss das Instrument „in den Raum komponieren“, passend zu Akustik und Ambiente.

Die neue Konzertorgel im Saal des Kulturpalastes hat genau 4 109 Pfeifen. Die Größte ist die Contraposaune mit 9,23 Metern. Sie befindet sich im unsichtbaren Teil der Orgel und ist gekröpft, heißt gebogen. Die größte Pfeife im sichtbaren Orgelprospekt heißt Prinzipal und ist stolze 6,73 Meter hoch. Die kleinste Pfeife erzeugt ihren Ton mit gerade einmal einem Zentimeter. Fünf große Klangwerke können von vier Manual- und einer Pedalklaviatur angespielt werden. Jedes mit eigenem Charakter: ein kraftvolles Hauptwerk, ein Pedal als großes Bassfundament. Das zweite Manual hat den Schwerpunkt auf der deutschen Romantik, das dritte Manual ist englisch und französisch orientiert, und das vierte Manual ist mit ausgeprägten Klangfarben der englischen und amerikanischen Spätromantik ausgestattet. Der Hauptteil der Konzertorgel ist 14,7 Meter breit, 8,5 Meter hoch und 3,3 Meter tief und wiegt 20,5 Tonnen. Gebaut wurden nahezu alle Teile in Bautzen.
Die Konzertsaalorgel im neuen Saal des Kulturpalasts Dresden ist ein einmaliges Projekt bürgerschaftlichen Engagements. Als Bauherr mit allen Verpflichtungen wie Konzeption, Planung, Finanzierung und Durchführung fungiert der Förderverein der Dresdner Philharmonie. Dieser ermittelte mit Unterstützung eines erfahrenen Orgelberaters Gesamtkosten für die Orgel von 1,3 Millionen Euro. Die Landeshauptstadt Dresden erklärte sich bereit, bei Einwerbung von eine Million Euro durch den Förderverein die fehlenden 300 000 Euro dazu zu geben. Die Aufgabe: eine Million Euro an Spenden organisieren. Dazu wurden u. a. Patenschaften für Orgelpfeifen ins Leben gerufen mit dem Ziel, möglichst viele Menschen mit dem Spendenziel Konzertorgel zu verbinden. Jeder, der sich beteiligen wollte, konnte sich seine Lieblingspfeife aussuchen und je nach Geldbeutel für 50, 100, 250, 500, 1 000 oder 2 000 Euro selbst Pate einer Orgelpfeife werden oder diese einem anderen schenken. Darüber hinaus konnten für die Finanzierung der Orgel auch Stuhlpatenschaften abgeschlossen werden. Mit einem dauerhaft angebrachten Messingschild an „seinem“ Stuhl ist der Inhaber einer Patenschaft auf alle Zeit im neuen Saal präsent. Im Dezember 2015 wurde die magische Marke eine Million Euro und damit das große Ziel erreicht – zur großen Freude aller Spender in und um Dresden, aus ganz Deutschland und vielen Ländern der Welt.

Hintergrundinformationen:
Orgelpfeifen sind die klangerzeugenden Teile einer Orgel. Jede Pfeife kann grundsätzlich nur einen bestimmten Ton einer bestimmten Klangfarbe und Lautstärke erzeugen, sodass in einer Orgel eine Vielzahl unterschiedlicher Pfeifen vorhanden sind. Um verschiedene Tonhöhen, Klangfarben und Lautstärken zu ermöglichen, verwendet man Pfeifen verschiedener Größe und Bauart. Pfeifen werden gruppenweise zu einzeln ein- und ausschaltbaren Registern zusammengefasst, um das Klangbild einer Orgel während des Spiels verändern zu können.

Nach dem Prinzip der Klangerzeugung unterscheiden sich die Pfeifen in zwei Grundtypen: Labialpfeifen (Lippenpfeifen, Tonerzeugung durch brechenden Luftstrom), und Lingualpfeifen (Zungenpfeifen, Tonerzeugung durch schwingende Metallzunge).

Orgelpfeifen werden fast ausschließlich aus Holz oder aus Metall angefertigt. Als Metall wird hauptsächlich eine Legierung aus Zinn und Blei mit unterschiedlichen Masseverhältnissen verwendet, die als Orgelmetall bezeichnet wird. Die Legierung, die Bearbeitung und das Alter einer Pfeife beeinflussen den Klang dagegen fast nicht, da nicht das Material der Pfeife schwingt, sondern die Luft.

Holzpfeifen können aus unterschiedlichen Holzarten gefertigt sein, in der Regel aus Eiche, Nadel- oder Obsthölzern, gelegentlich auch aus exotischen Hölzern. Holzpfeifen werden zumeist innen mit Leim ausgegossen, denn kleine Undichtigkeiten behindern erheblich die Tonerzeugung. Auch aus Porzellan, Kunststoffen und früher sogar Elfenbein wurden vereinzelt Orgelpfeifen hergestellt. Im Gegensatz zu den Labialpfeifen, bei denen die getroffene Materialwahl (allenfalls mit Ausnahme des Kerns) die ganze Pfeife betrifft, bestehen Zungenpfeifen stets aus verschiedenen Materialien. Verschiedene Holzarten, Leder und verschiedene Metalle können zum Einsatz kommen (genauere Beschreibung siehe unten).

Um den Klang einer Pfeife zu beeinflussen, gibt es neben den verschiedenen Bauformen eine Fülle von Möglichkeiten, die man als Intonationsmittel bezeichnen kann. Dazu gehören: Expressionen, Stimmschlitze, Bärte, Aufschnitthöhen, Kernspaltenweite und deren Beschaffenheit, Kernfase und Gegenfase, Form und Stellung von Ober- und Unterlabium, Form und Anzahl von Kernstichen und die Größe des Fußloches. Die Intonationsmittel wurden im Laufe der Orgelbaugeschichte über Jahrhunderte weiterentwickelt und finden in ihrer Vielfalt und dem differenzierten Gebrauch einen Höhepunkt zur Zeit der Romantik.

Quelle: Landeshauptstadt Dresden

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