So, 10.12.2017 , 11:20 Uhr

Lieferdienst von Kaufland bleibt Traumblase für Kunden in Sachsen

Neckarsulm - Auf einen Lieferservice für Lebensmittel müssen Kunden des Handelsriesen Kaufland im Freistaat vergeblich hoffen. Das Neckarsulmer Unternehmen stellt seinen Lieferdienst ein. Das Projekt wird nach der Pilotphase zum 23. Dezember hin beendet. Die Planungen zur Ausweitung des Dienstes auf weitere Städte werden nicht fortgeführt, teilt der Konzern mit.

In jeglicher Hinsicht kommt diese Meldung aus Neckarsulm überraschend. Das Unternehmen agiert damit entgegen den Trends im Handel. Während REWE in der Sparte als Pionier in der Lieferung von frischen Lebensmitteln den Ausbau seines Lieferservices vorantreibt, will sich Kaufland aus diesem Markt zum 23. Dezember zurückziehen. Erst Ende November hatte REWE angekündigt, in Köln ein sogenanntes Fulfillment Center für den Online-Handel, mit höchstem Grad an Technologisierung und Automatisierung sowie neuen Prozesse, zu bauen.

Der Lieferservice sei nicht kostendeckend

Der rot-weiße Mitbewerber hingegen informierte am Freitag, dass er sein Angebot nach nur 15 Monaten Testphase einstellen wird, obwohl die Erfahrungen hinsichtlich der Betriebsabläufe und das Kundenfeedback während der Pilotphase positiv gewesen sein sollen. „Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass wir auch bei der Lieferung von Lebensmitteln viele Kunden mit den Leistungen von Kaufland überzeugen konnten“, sagt der Vorstandsvorsitzende Patrick Kaudewitz. „Mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit, die Preis- und die Marktentwicklung sehen wir allerdings, dass sich ein Lieferservice im Lebensmittelbereich auf Sicht nicht kostendeckend betreiben lässt. Auch im Internet sollen sich die Kunden auf unser Preisversprechen verlassen können.“ Im Gegensatz zum Wettstreiter REWE bot Kaufland Online und Offline identische Preise bei der Heimlieferung. Für mindestens 40 Euro mussten Kunden jedoch bestellen.

 

300 Mitarbeiter bangen um Jobs

Kaufland hatte den Service im Oktober 2016 in Berlin als lokalen Testbetrieb gestartet. Ein Werk für Hamburg wurde noch im Sommer 2017 angekündigt. Im Oktober informierte das Unternehmen allerdings unerwartet darüber, dass der Start des Standorts verschoben werde. Die Bereits angeschaffte Fahrzeugflotte hat der Berliner Teststandort darauhin übernommen. Für die rund 300 Mitarbeiter in der Hauptstadt sollen "sozialverträgliche Lösungen" geschaffen werden.

Für diese kam die Meldung wie ein Hammerschlag kurz vor Weihnachten. Erst kürzlich seien demnach neue Öfen für die Erweiterung des Backsortiments aufgestellt worden. Für logistische Verbesserungen seien neue Regale aufgestellt worden und auch weitere Bestellungen für die Fahrzeugflotte stünden noch aus. Bereits zum 31. Januar soll das Logistikzentrum im berliner Südwesten abgewickelt sein.

Das Internet - Für Schwarz-Gruppe #Neuland?

Kaufland gehört wie Branchenriese Lidl zur Schwarz-Gruppe. Kaufland betreibt bundesweit über 650 Filialen und beschäftigt über 78.000 Mitarbeiter. Weitere 50.000 Mitarbeiter sind im europaweiten Filialnetzen in Tschechien, Polen, Kroatien, Bulgarien, der Slowakei und Rumänien für das Unternehmen tätig. Allein dadurch, dass es solche Angebote gibt, ändert sich das Kaufverhalten“, ließ sich Sven Seidel, Vorstand in der Schwarz-Gruppe, zum Start des Angebots 2016 zitieren. Bei Kaufland sieht man das nach etwa anderthalb Jahren offenbaer anders: Von digitalen Innovationspotenzialen im stationären Geschäft würden Unternehmen und Kunden in der Breite stärker profitieren. Mit der Großfläche tut sich der deutsche Einkäufer und auch hiesige Stadtplaner allerdings etwas schwer, scheint die Kette zu übersehen.

Zugegeben - im Lebensmittelgeschäft machen Online-Einkäufe derzeit nur etwa einen Prozent des Umsatzes bundesweit aus. Entlang gängiger Expertenmeinungen ist der Markt jedoch in Bewegung. Besonders der Einstieg vom Internet-Giganten Amazon in den E-Food-Markt hatte die Branche aufschrecken lassen. Amazon Fresh ist auf Prime-Nutzer beschränkt und derzeit in Berlin, Hamburg und München verfügbar. Weitere Start-ups planen mitmischen zu wollen. Der vorzeitige Ausstieg aus dem Zukunftsgeschäft erscheint demnach wenig nachvollziehbar; ein Wiedereinstieg in zwei oder drei Jahren eher unwahrscheinlich. Kaufland hätte von dem Feldversuch "Lebensmittel vor die Haustür liefern" auf lange Sicht sicherlich profitieren können: Indem Einkäufer im Stadtzentrum (hier gelingt es dem Unternehmen vielerorts nicht seine Markt-Plane durchzusetzen) oder in dünner besiedelten Gebieten bequem per Tablet oder PC den Kühlschrank füllen können. Nicht nur Kunden der beiden Chemnitzer, acht Dresdner (eine weitere in der Umsetzung) oder acht Leipziger Filialen, sondern vor allem auch in ländlichen Regionen gibt Kaufland mit der Entscheidung kampflos an Mitbewerber auf. 

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