Sa, 14.04.2018 , 21:29 Uhr

Mehr als nur Smartphone und Fashion: 1988 versus 2018

Egal ob bei uns in Sachsen oder anderswo in der Republik, mancher mag es kaum glauben, aber 1988 liegt tatsächlich schon 30 Jahre in der Vergangenheit. Viel Zeit, die jedoch von überraschend vielen rückblickend nur als Abwesenheit vornehmlich technischer Entwicklungen gesehen wird, 2018 = 1988 plus Smartphone? So einfach ist es nicht. Tatsächlich hat sich unter der Oberfläche seitdem sehr viel Tiefgreifenderes getan – und damit ist nicht nur das Zusammenwachsen zweier einst verfeindeter deutscher Staaten und die damalige Musik gemeint. Die 7 für unser Alltagsleben vielleicht entscheidenden Dinge zeigen wir nun.

1. Blauer Dunst

Wer einen der sichtbarsten Unterschiede heute am eigenen Leibe erleben möchte, steckt sich einfach im nächstbesten Restaurant eine Zigarette an und verlangt nach einem Aschenbecher. 1988 wäre die Angelegenheit binnen Sekunden mit der Lieferung besagten Kleinods durch den Ober beendet worden. 2018 wäre wohl eher der Restaurantbesuch beendet. Faszinierender sind jedoch die nackten Zahlen: 1988 qualmten knapp 45% Prozent aller Bundesbürger zwischen 12 und 26 – heute sprechen wir hier noch von 7%! Und was damals erst langsam Fuß fasste, die Tatsache, dass Rauchen eine Belästigung darstellt, ist heute selbst bei den meisten Rauchern zutiefst im Hinterkopf verankert.

2. Liebe spontan

Der Wunsch, spontan Sex zu haben, dürfte so alt sein wie die Menschheit. Allerdings war das 1988 tatsächlich noch so eine Sache. Wer in einer Großstadt lebte und das Glück hatte, „spezielle Bars“ zu kennen, konnte solcherlei Kontakte noch relativ unkompliziert anbahnen. Dem großen Rest blieb nur der Weg, sich mehr oder weniger direkt an Mitglieder des anderen Geschlechts zu richten – und im Zweifelsfall auch einfach eine Backpfeife zu bekommen, weil die späten 80er eben auch vergleichsweise prüde waren, egal wie freizügig sich Madonna und so manche Duschgel-Werbung auch gaben. Heute indes sieht es so aus, dass die ganze Sache sich von überall her online anbahnen lässt – falls man nicht gleich den Weg diverser Pärchenclubs, Rastplatztreffs, Sexshop-Hinterzimmer und ähnlicher Zusammenkünfte gehen möchte. Denn auch das hat sich verändert: Sex ist wesentlich alltäglicher und weit weniger anrüchig geworden.

3. Terror

Rückblickend wird oftmals vieles verklärend durch die rosarote Brille gesehen. Das erklärt auch, warum eine Umfrage vor einigen Jahren herausfand, dass die Mehrzahl der Deutschen den 80ern mit Wehmut nachblickt. Und immer wieder kommt bei solchen Befragungen ein Argument auf: Die 80er waren ja so viel sicherer – sicher? Denn wenn man sich alleine mit den Terrorstatistiken befasst, ist das genaue Gegenteil der Fall: Nordirland-Konflikt, Lockerbie, um nur zwei Dinge zu nennen, sorgten dafür, dass 1988 ein besonders blutiges Terror-Jahr mit fast 450 Toten in Europa war – das schlimmste Jahr der jüngeren Epoche war 2014 mit „nur“ 147 und das nach einigen extrem ruhigen Jahren.

Sicher ist unsere heutige Zeit nicht friedlicher, aber der Terror richtet längst nicht mehr so viel Unheil bei uns an wie damals.

4. Sommerhits

Dass zeitgenössische Musik einen etwas austauschbaren Charakter hat, dürfte nicht erst seit dem Aufkommen diverser Castingshows bekannt sein – One-Hit-Wonder gab es auch schon lange vor 1988. Nein, was sich seitdem wirklich geändert hat, ist etwas anderes. Damals hatte jedes Jahr seinen ganz eigenen Sommerhit, der an sämtlichen Stränden, Clubs und im Radio auf und ab gedudelt wurde. Auch heute behaupten natürlich Fachleute alljährlich, dass dieser oder jener Song „der“ Sommerhit wäre. Aber einen solchen Nachhall wie 1988 Mory Kantés „Yé ké yé ké“, Reinhard Fendrichs „Macho Macho“ oder ein Jahr später der Sommerhit aller Sommerhits, Lambada, haben

keine davon mehr. Heute haben Ibizas Techno-Clubs einen anderen Hit als mallorquinische Strandbars. Einen Song, der szene- und urlaubsortübergreifend läuft, gibt es praktisch nicht mehr.

5. Reise, Reise

Gegen die Europäische Einheit zu meckern, ist 2018 in sämtlichen politischen Lagern aus diesem oder jenem Grund en Vogue. Manchen dieser Kritiker, insbesondere jenen, die sich gerne Grenzen und/oder Nationalwährungen zurückwünschen, muss man aber ein arg kurzes Gedächtnis attestieren. Denn 1988 war beides noch Realität. Die EU existierte auf einer solchen Proto-Ebene, dass es nicht einmal ein erstinstanzliches Gericht gab.

Und zwischen Italien, Frankreich und Dänemark hieß es für jeden einzelnen reisewilligen Europäer: Warten, warten, warten. Etwa darauf, dass die Grenzer die Reisepässe kontrollierten – das Schengener Abkommen wurde zwar 1985 beschlossen aber erst mit Beginn der 1990er ratifiziert. Oder darauf, dass man an einer der Wechselstuben sein Geld gegen Landeswährung tauschen konnte – Urlaubskassen-zerrüttende Tauschkurse und viele Gauner inklusive. Dass damals wenigstens Gleichheit beim Gebraten-Werden in der Sommerhitze herrschte, weil bis auf Oberklassewagen kaum ein Auto mit Klimaanlage versehen war, ist da nur ein schwacher Trost.

6. Gewicht

26,45kg/m². So viel betrug der (west-)deutsche Durchschnitts-BMI 1988. Schon damals ziemlich grenzwertig, denn die WHO definiert alles jenseits der 24,99kg/m² schon als Übergewicht. Heute beträgt er – Trommelwirbel – 26,75kg/m². Klingt jetzt nicht nach einer wirklichen Steigerung, oder? Tja, allerdings muss man das noch in eine andere Relation setzen. Denn 1988 waren auch nur elf Prozent der Bevölkerung fettleibig per Definition, hatten also einen BMI >30. Heute sprechen von 17 Prozent, Tendenz weiter steigend. Allerdings sind die Gründe dafür durchaus vielfältig und nicht nur in unkontrolliertem Essen zu sehen. Vielmehr sieht es so aus, dass zwischen 1988 und 2018 auch noch eine ganze Menge Dinge hinzukamen – etwa versteckter Zucker, ein viel höherer Convenience-Food-Anteil sowie ein ungleich größerer Anteil an Büroarbeitern.

7. The Look

Man muss nicht unbedingt auf das stehen, was auf der 2018er Mailänder Modewoche gezeigt wurde. Insbesondere aber wenn man sich Alltagsfotos aus den späten 80ern anschaut, fällt sehr schnell eines auf: In Sachen Bekleidung und Frisuren kann man als Normalsterblicher heute nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Damals Haarausfall als vergleichsweise junger Mann? Da war man praktisch zum „Lorbeerkranz“ verurteilt – heute hat die nassrasierte Glatze glücklicherweise den Weg aus den Nischen und den politischen Vorurteilen der frühen 90er überwunden. Und über bis zum Bauchnabel reichende Sack-Hosen, Sweatshirts mit darunter getragenem Hemd, XXXXL-Schulterpolster und Fönfrisuren braucht man erst gar nicht zu diskutieren. Da läuft die 2018er Mode mit ihrem weitaus zeitloseren Look den späten 80ern jeden beliebigen Rang ab.

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