Mi, 06.12.2017 , 16:41 Uhr

Trendwende in der Bildungspolitik - Sächsische Union ebnet Weg für Verbeamtung von Lehrern

Dresden - Die Verbeamtung von Lehrern galt im Freistaat aufgrund des Sparzwangs seit 27 Jahren als Tabuwort. Jetzt wird erstmals offen über das vermeintliche Unwort diskutiert, um dem Lehrermangel Herr zu werden. Die sächsische CDU-Fraktion im Landtag hat sich am Mittwoch im Streit um die Verbeamtung von Lehrern zu einem Kompromiss gerungen. Neue Lehrer im Freistaat sollen in Zukunft befristet verbeamtet werden. In einem sogenannten Prüfungsauftrag wird die Staatsregierung bis zum 31.1.2018 aufgefordert, eine Attraktivitätssteigerung im bestehenden tariflichen System als auch eine befristete Verbeamtung von Neulehrern zu prüfen.

Sollte dieser Auftrag zu einer Beamtung führen, sollen mit der Einstellungsperiode im August 2018 Lehrer, die neu eingestellt werden, befristet verbeamtet werden. Die Fraktionsmitglieder folgen damit einem Kompromiss zwischen dem neuen Kultusminister Frank Haubitz und dem Finanzminister Georg Unland.

Die Staatsregierung wurde damit beauftragt, bis zum 31. Januar 2018 noch Detailfragen zur Ausgestaltung zu klären und der Fraktion einen abgestimmten Vorschlag zu unterbreiten. Dazu gehört auch die Frage, wie bereits angestellten Lehrern ein Ausgleich gezahlt werden kann.

Verbeamtung noch nicht beschlossene Sache

Die Verbeamtung in Sachsen soll zunächst für fünf Jahre erprobt werden. Zudem erhalten verbeamtete Lehrer aus anderen Bundesländern die Möglichkeit, nach Sachsen zu wechseln, ohne ihren Status zu verlieren.

Kultusminister Haubitz hat die heutige Entscheidung der CDU-Landtagsfraktion zur Verbeamtung der Lehrer begrüßt. „Das ist eine gute Entscheidung für meine Schülerinnen und Schüler. Die CDU-Fraktion spricht sich damit deutlich für eine hohe Bildungsqualität an Sachsens Schulen aus und gegen den Unterrichtsausfall“, so der Kultusminister.

Die CDU im Freistaat signalisiert damit zum ersten Mal seit 27 Jahren Offenheit gegenüber einer Verbeamtung von Lehrkräften.

Zum Nachlesen: Der Beschluss der CDU-Fraktion

Die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages fordert die Sächsische Staatsregierung auf, den Lehrerberuf so attraktiv zu gestalten, dass die Nachwuchsgewinnung und die Rückkehr von Lehrern in den Freistaat Sachsen gesichert werden kann. Sie bekennt sich zu einer offenen Diskussion über die beste Lösung.

Dazu gehört, neben weiteren Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung im bestehenden tariflichen System auch eine zeitlich auf 5 Jahre befristete Möglichkeit der Verbeamtung von Lehrern, die zukünftig in Vollzeit ihren Dienst im Freistaat Sachsen antreten, zu prüfen. Auf Grund unterschiedlicher Bedarfe sind Steuerungselemente für den ländlichen Raum und die kreisfreien Städte aufzuzeigen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist nach drei Jahren zu evaluieren.

Ein statuswahrender Wechsel von verbeamteten Lehrern aus anderen Bundesländern ist in diesem Zeitraum möglich.

Die Staatsregierung wird aufgefordert, bis zum 31. Januar 2018 einen rechtlich und inhaltlich abgestimmten Vorschlag vorzulegen, über den die Regierungsfraktionen abschließend beraten und beschließen können. Ziel ist es, für die kommenden Einstellungstermine zu erreichen, möglichst viele Lehrer für Sachsen zu gewinnen.

Das Sächsische Staatsministerium für Kultus wird zudem beauftragt, die Lehrpläne zu überprüfen. Darüber hinaus ist eine lehrer- und bewerberfreundliche Bildungsverwaltung zu entwickeln, u. a. mit der Zielstellung, bundesweit als erstes Bundesland die Einstellungen vorzunehmen.

Die CDU-Fraktion hat damit nicht die „Verbeamtung von Lehrern“ beschlossen, sondern die Staatsregierung aufgefordert, bis 31. Januar 2018 sowohl eine Attraktivitätssteigerung im bestehenden tariflichen System als auch eine befristete Verbeamtung von Neulehrern zu prüfen.

Was hat die CDU genau beschlossen? Michael Kretschmer ordnet nochmal grob ein

Sächsischer Lehrerverband: "Aufwertung des Lehrerberufs im Freistaat Sachsen"

Der Sächsische Lehrerverband begrüßt, dass auch die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages die Untrennbarkeit von Verbeamtung und wertschätzenden Maßnahmen für die verdienstvolle Lehrergeneration befürwortet. Die heute in der CDU-Fraktionssitzung beschlossene künftige Verbeamtung von neu eingestellten Lehrkräften mit vollständiger Lehrerausbildung gibt zukünftigen Bewerbern das richtige Signal und schafft eine langfristige Perspektive für die Lehrerversorgung im Freistaat. Parallel müssen ein Ausgleich für Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund ihres Lebensalters nicht verbeamtet werden können, sowie weitere anerkennende Maßnahmen und Entlastungen von zusätzlichen Aufgaben erfolgen. Die sächsischen Lehrerinnen und Lehrer erwarten das und sehen in Kultusminister Frank Haubitz einen Hoffnungsträger zur Durchsetzung langjähriger Forderungen.

Die Beschränkung der Verbeamtung auf Neueinstellungen und Beamte aus anderen Bundesländern wird sich nach Auffassung des Sächsischen Lehrerverbandes nicht halten lassen. Hier muss nachgebessert werden, um die junge Generation von Lehrkräften, für die altersbedingt eine Verbeamtung noch möglich wäre, weiterhin in Sachsen zu halten.

„Die heutige Positionierung der CDU-Fraktion leitet einen Richtungswechsel in der Personalpolitik ein. Sie muss wertschätzende Maßnahmen für die verdienstvolle Lehrergeneration und die Verbeamtung bis zur Altersgrenze zum Ziel haben. Die weiteren politischen Entscheidungen müssen zeitgleich und zeitnah getroffen werden, denn die erfahrene Lehrergeneration erwartet dringend höhere Wertschätzung und potentielle Bewerber aus ganz Deutschland ein Signal, dass es attraktiv ist, bereits zum Februar 2018 eine freie Lehrerstelle in Sachsen anzunehmen.“, fordert Jens Weichelt, Landesvorsitzender des Sächsischen Lehrerverbandes. Freie Lehrerstellen würde es geben, denn selbst unter Berücksichtigung der Bewerbungen von Seiteneinsteigern würden über 200 Stellen nicht besetzt werden können.

Viele Maßnahmen sind notwendig und Staatsminister Frank Haubitz hat einige davon bereits in Aussicht gestellt. Lehrerinnen und Lehrer brauchen Entwicklungsperspektiven durch motivierende Höhergruppierungsmöglichkeiten in allen Schularten und einen Ausgleich zum Einkommen verbeamteter Kollegen. Zudem erwartet der Sächsische Lehrerverband eine verbesserte Eingruppierung für Grundschullehrer. Außerdem sind Gerechtigkeitslücken bei bestimmten Beschäftigtengruppen zu schließen. Zur Bewältigung der stetig steigenden Aufgaben müssen an anderen Stellen Entlastungen erfolgen.

Der Sächsische Lehrerverband begrüßt, dass die CDU-Fraktion den neuen richtungsweisenden Kurs des Staatsministers für Kultus mitgeht. Nun müssen Taten folgen, denn nur so kann der Mangel an Bewerbern mit vollständiger Lehrerausbildung behoben und die Lehrerversorgung im Freistaat langfristig sichergestellt werden. Kultusminister, Staatsregierung und die Abgeordneten des Sächsischen Landtages sind in der Verantwortung, genauso wie die Tarifpartner. In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten müssen weitere klare Handlungsziele und verlässliche zeitliche Perspektiven formuliert werden. Das ist alternativlos.

Gebhardt: "CDU-Fraktion weder entscheidungsfähig noch selbstbewusst / Linksfraktion bleibt bei ihrem „Nein" zur Verbeamtung"

Zum heutigen Beschluss der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, dem Kultusministerium einen Prüfauftrag über eine Höherstufung oder Verbeamtung von Lehrkräften zu erteilen, erklärt Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE:

Nun liegt der schwarze Peter im Hause Haubitz und beim zukünftigen Finanzminister, also bei der Staatsregierung, die in den letzten Wochen nicht gerade Handlungsfähigkeit demonstriert hat. Die CDU-Fraktion ist entscheidungsunfähig und delegiert die Streitfrage „Tarifsteigerung oder Verbeamtung" auf die andere Elbseite. Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die sich von der Regierung eine „abschließende Beschlussgrundlage" erhoffen, strotzen nicht gerade vor Stolz und Selbstvertrauen! Offenbar will die CDU-Fraktion an diesem merkwürdigen Rollenverständnis festhalten.

Die Linksfraktion spricht sich klar gegen eine Verbeamtung aus (Pressemitteilung vom 5. Dezember 2017). Dieses Instrument könnte den Lehrkräftemangel kaum beheben und würde schwerwiegende neue Ungerechtigkeiten verursachen. Das wäre auch und gerade der Fall, wenn nur neu eingestellte Lehrkräfte über einem bestimmten Zeitraum hinweg diese Option wählen dürften.

Stattdessen muss die Staatsregierung mit den Gewerkschaften einen gerechten und attraktiven Tarifvertrag aushandeln, der den heutigen und künftigen Lehrkräften an allen Schularten gerecht wird. Im Interesse der Zukunft unserer Landes, also dem der Kinder, muss der Lehrberuf attraktiv werden, damit ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen bleiben und auch alle Absolventen ein konkurrenzfähiges Angebot erhalten.

Zais: "Endlich ist die Zeit des Zögerns vorbei" - GRÜNE begrüßen Entscheidung der CDU

Petra Zais, bildungspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Landtagsfraktion: "Endlich ist die Zeit des Zögerns bei der CDU-Fraktion vorbei. Die selbstverschuldete, dramatische Situation bei der Lehrergewinnung fordert, nichts unversucht zu lassen, das zur Verbesserung beiträgt.
Das sind wir Eltern sowie Schülerinnen und Schülern schuldig, deren Recht auf gute Bildung in Sachsen zunehmend unter die Räder gekommen ist. Den Vorschlag für eine zeitlich befristete Verbeamtung hatten wir bereits in den Verhandlungen zum letzten Doppelhaushalt eingebracht. Damals hatten CDU und SPD abgelehnt und diese Chance vertan.
Da nur die neu eingestellten Lehrkräfte verbeamtet werden sollen, muss es für die anderen Lehrerinnen und Lehrer einen umfassenden Nachteilsausgleich geben. Im gleichen Zug sollte die bestehende Ungerechtigkeit in der Entlohnung zwischen Grundschullehrkräften und Lehrkräften an weiterführenden Schulen abgebaut werden. Wir unterstützen die Forderung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in die E13 einzustufen.
Neben finanziellen Anreizen brauchen die Lehrkräfte eine wirksame Entlastung. Dies kann mit unterrichtsbegleitendem Personal oder einer stärkeren Anerkennung der Klassenleitertätigkeit gelingen."

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