Mi, 11.09.2019 , 16:34 Uhr

Tag der Wohnungslosen: Wie hilft man Obdachlosen?

Leipzig - Ein Dach über dem Kopf und Sicherheit in den eigenen vier Wänden - ein Privileg, das viele in Deutschland nicht haben. In Leipzig gibt es ungefähr 300 bis 500 Obdachlose. Um Wohnungslosen zu helfen, raten Experten zum Tag der Wohnungslosen von Spenden in Form von Essen oder Geld allerdings ab.

Die Universität Leipzig im Zentrum der Stadt ist öffentlich zugänglich. Darum halten sich hier auch obdachlose Menschen auf, um sich vor Wind und Wetter zu schützen - und stiften dabei teilweise Unruhe. "Durch die zentrale Lage in der Stadt können wir es gar nicht verhindern, dass Obdachlose sich hier aufhalten. Ein Problem ist es, wenn sie die Toiletten verschmutzen, heftig verschmutzen, oder, weil sie vielleicht betrunken sind oder Drogen genommen haben, Studierende anpöbeln und vielleicht sogar aggressiv werden", erklärt die Kanzlerin der Uni Birgit Dräger.

Lage der Obdachlosen in Leipzig

Die Zahl an obdachlosen Menschen ist in den letzten Jahren gestiegen. Dem Sozialamt waren im vorletzten Jahr 650 Obdachlose bekannt. Diese übernachteten in Notschlafstellen, teils nur wenige Tage, teils aber auch wochenlang. Die Dunkelziffer Wohnungsloser ist wahrscheinlich höher. Zahlen zu den Menschen, die unter freiem Himmel oder zum Beispiel in Abrisshäusern schlafen, entziehen sich den Erhebungen vom Sozialamt und von der Stadt.

Die Gründe für den Anstieg der Zahlen der letzten Jahre sieht Tom Hübner vom Sozialamt Leipzig in der Entwicklung am Wohnungsmarkt. "Menschen, die ihre Wohnung verloren haben aufgrund von Mietschulden, gelangen sehr schwer wieder zu einer neuen Wohnung. Die Vermieter können sich mittlerweile natürlich heraussuchen, welchen Mieter sie nehmen. Und jemand, der negative Schufa-Einträge hat oder keine positive Vorvermieterbescheinigung vorlegen kann, der hat es sehr schwer, wieder neuen Wohnraum zu finden".

Obdachlosenhilfe in Leipzig

Für jene bestehen in Leipzig viele Möglichkeiten, sich Hilfe zu suchen. Es gibt neben dem Hilfebus einige Notunterkünfte und Tagestreffs, die obdachlose Menschen beherbergen. Eine solche Einrichtung ist das Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen in der Scharnhorststraße. Für 5 Euro pro Übernachtung werden Frauen hier grundversorgt, erklärt die Leiterin des Übernachtungshauses, Stefanie Nemczak: "In unserem Haus kann man erstmal unterkommen, wenn man seine Wohnung verloren hat. Wir bieten den Frauen einen Schlafplatz, sie werden bei uns grundversorgt. Das fängt an mit Kleidung, Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Die Frauen haben die Möglichkeit, hier ihre Wäsche waschen zu lassen. Und ganz wichtig ist natürlich auch die soziale Beratung durch unseren Sozialdienst".

"Manchmal muss die Not erst ganz groß werden, damit sie diesen Schritt gehen..."

Pro Jahr halten sich im Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen etwa 100 verschiedene Damen auf, Tendenz leicht steigend. Sylvia Bräunlich ist seit 25 Jahren hier Sozialarbeiterin. Sie arbeitet mit den Frauen zusammen und versucht, behördliche Dinge mit ihnen zu regeln. Sie erklärt, wo Schwierigkeiten bei der Arbeit liegen: "Im Vorfeld, bevor die Frauen hier ankommen, bestehen oft soziale und wirtschaftliche Abhängigkeiten. Da ist ganz viel Schwellenangst dabei und auch Scham. Manchmal muss die Not erst ganz groß werden, damit sie diesen Schritt gehen und in unser Haus kommen".

In den letzten Jahren sei die Anzahl an psychischen Erkrankungen bei Frauen gestiegen. Das erschwert die Gespräche mit ihnen. Doch teilweise kommt es nicht mal zu solchen Gesprächen. Wie Stefanie Nemczak erklärt, sei ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit auch Akzeptanz: "Man wird nie jeden erreichen können. Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass es Leute auf den Straßen gibt, die keine Hilfe annehmen wollen oder können - aus welchen Gründen auch immer".

Wie können Bürger helfen?

Tom Hübner vom Sozialamt Leipzig erklärt, dass die Versorgung von Obdachlosen durch Bürger direkt am (prekären) Aufenthaltsort keine langfristige Lösung darstellt. Denn dann besteht die Gefahr, dass die wohnungslosen Menschen nichts unternehmen werden, um ihre Lage zu ändern und zudem weniger motiviert sind, die Hilfeangebote der Stadt in Anspruch zu nehmen. Stattdessen sollten Bürger sich informieren, auf Notschlafstellen und Übernachtungshäuser hinweisen oder sich an den Hilfebus wenden - vor allem jetzt, wenn es wieder kälter wird.

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