Fr, 02.06.2023 , 19:23 Uhr

«Tag X»-Demo bleibt verboten - Leipzigs OB besorgt um Sicherheit

Die linksautonome Demonstration zum «Tag X» in Leipzig nach dem Urteil gegen die Studentin Lina E. bleibt verboten. Das Verwaltungsgericht in Leipzig wies am späten Freitagnachmittag einen Eilantrag gegen das Verbot durch die Stadt zurück. Es ist eine Beschwerde beim sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen möglich. Die Polizei bereitet weiterhin einen Großeinsatz für Samstag vor. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) zeigte sich angesichts zahlreicher Gewaltaufrufe in sozialen Medien besorgt um die Sicherheit in der Messestadt. Die Stadt hatte die für Samstag geplante «Tag X»-Demo mit dem Motto «United we stand - Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!» verboten, weil ein unfriedlicher Verlauf zu befürchten sei. Grundlage dafür waren Gefahrenprognosen der Polizei und Lageeinschätzungen des Verfassungsschutzes. In linken Kreisen war bundesweit mobilisiert worden. Laut Polizei gab es auch Gewaltandrohungen und Aufrufe zur Militanz. Im Zusammenhang mit dem «Tag X»-Verbot rückte auch der Freitagabend in Leipzig in den Fokus. Im Stadtteil Connewitz wurde am Abend zu einem «Massencornern» aufgerufen. Verschiedene Antifa- und Anarchie-Accounts warben dafür, sich «die Straßen zu nehmen». Solidarität lasse sich nicht verbieten, hieß es in den Aufrufen.

 

Der «Tag X» ist eine Reaktion auf die Verurteilung der Studentin Lina E. und von drei Mitangeklagten wegen Überfällen auf vermeintliche oder tatsächliche Neonazis. Das Quartett war am Mittwoch vom Oberlandesgericht Dresden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden wegen Körperverletzung und Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Lina E., die seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft saß, kam nach der Urteilsverkündung vorläufig frei. Das Verwaltungsgericht erklärte, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem unfriedlichen Verlauf der Versammlung auszugehen. Insofern erweise sich die Gefahrenprognose der Stadt als zutreffend. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Mobilisierung im Internet einschließlich des Demonstrationsaufrufs auch an eine gewaltbereite autonome linksextremistische Szene gerichtet habe. Auch wenn es inzwischen eine Distanzierung von Gewaltaufrufen gegeben habe und zuletzt zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen worden sei, bleibe zu befürchten, dass aus der angemeldeten Versammlung heraus Gewalttätigkeiten begangen würden. Zudem erscheine die angemeldete Teilnehmerzahl von 400 bis 500 nicht ansatzweise realistisch. Es sei mit einer weitaus höheren Teilnehmerzahl zu rechnen, so das Verwaltungsgericht.

 

Schon seit Freitag 18.00 Uhr galt in Leipzig ein sogenannter Kontrollbereich, der große Teile des Stadtgebiets im Osten, Süden und Westen umfasst. Dort kann die Polizei ohne besonderen Anlass Menschen anhalten und deren Identität prüfen. Auch der Anreiseverkehr auf den Straßen und am Hauptbahnhof solle kontrolliert werden, hatte die Polizei mitgeteilt. Die Polizeidirektion Leipzig wird eigenen Angaben zufolge von zahlreichen Hundertschaften samt Technik aus zwölf Bundesländern und der Bundespolizei unterstützt. «Wir sehen mit großer Sorge die offenen, zum Teil hasserfüllten Gewaltaufrufe aus dem anarchistisch-linksextremistischen Milieu in den sozialen Medien. Gewalt darf aber niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein», sagte Leipzigs Stadtchef Jung. In der Stadt der Friedlichen Revolution von 1989 sei auf die Straße getragene Gewalt vollkommen inakzeptabel. «Ich appelliere an alle, sich den Aufrufen nicht anzuschließen und sich von jeglicher Gewalt unmissverständlich zu distanzieren.» Am Mittwochabend hatte es eine Solidaritätsdemonstration für Lina E. gegeben. Sie war gleich zu Beginn wegen Auflagenverstößen und deutlich überhöhter Teilnehmerzahl gestoppt worden. Danach eskalierte die Situation kurzzeitig. Es wurden Steine und Böller auf Polizeibeamte geworfen. Am Donnerstagabend geriet die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel als Anmelderin einer Jugenddemo am Kindertag in eine polizeiliche Maßnahme. Videobilder vom Vorgehen der Polizei lösten heftige Kritik aus. In den sozialen Netzwerken wurde der Polizei, dem Innenministerium und der Stadt Leipzig vorgeworfen, die Situation rund um den «Tag X» zu eskalieren. Ein Polizeisprecher wies darauf hin, dass bei der Jugenddemo zahlreiche polizeifeindliche Sprüche gerufen worden seien. Nach Polizeiangaben traf sich Nagel am Freitag mit dem Leipziger Polizeipräsidenten René Demmler und dem sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) zum Gespräch. Dabei habe man sich sachlich und kritisch mit dem Polizeieinsatz am Donnerstag und der Versammlung auseinandergesetzt. Die Beteiligten seien sich einig gewesen, dass vor dem «Tag X» Verunsicherung und Ängste vor Ausschreitungen bestünden und Deeskalation das Gebot der Stunde sein müsse. Auch Nagel forderte «Deeskalation auf allen Seiten».

Außer dem «Tag X» stehen am Wochenende in Leipzig etliche andere Großveranstaltungen an. Es ist Stadtfest, Herbert Grönemeyer gibt ein Konzert vor Zehntausenden Besuchern und am Samstag spielen Lok Leipzig und der Chemnitzer FC um den Sachsenpokal. Eine Absage dieses Fußballspiels war überlegt, aber dann verworfen worden. (dpa)

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