Fr, 02.11.2018 , 16:10 Uhr

X000€ Cash für die Kids von Grünau

Leipzig – Selbst entscheiden, welche Schuhe ich mir kaufen werde. Für die meisten Kids aus Grünau ist das keine Selbstverständlichkeit. Das Projekt „X000€ Cash Parlament“ hat das Unmögliche möglich gemacht.

Initiiert hat es die Gruppe „greater form“, die schon seit mehreren Jahren Kunst- und Kulturprojekte mit den Jugendlichen des Stadtteils durchführt. Über einen Zeitraum von fünf Monaten konnten die Teilnehmenden mit den Projektleitenden über die Vergabe einer Summe von 3000 Euro verhandeln und darüber entscheiden, wofür das Geld tatsächlich ausgegeben wird. Die Idee kam Lina Ruske und ihrem Team im Verlauf vergangener Projekte…

„Wir haben in den vergangenen Projekten immer mitbekommen, das Geld ein Thema ist. Zum einen: Hab ich welches oder nicht oder ich will mir etwas kaufen, kann ich aber nicht. Im Alltag der Kids spielt das eine Rolle. Vor allem durch die Abwesenheit. Dann haben wir gesagt, dass wir das einfach mal probieren. Eine freie Summe, die an nichts gebunden ist, wofür sie ausgegeben werden muss, mitzubringen“, erklärt Lina Ruske von greater form.

Bei solch einer Summe mussten selbstverständlich Regeln aufgestellt werden. Neben denen die von Lina Ruske und ihren Teamkollegen festgeschrieben wurden –  wie beispielsweise eine Quittungspflicht für gekaufte Sachen – hatten die Kinder selbst auch die Chance, ihren eigenen Leitfaden zu entwickeln. In einer großen Gruppe zusammensitzen und ganz viel miteinander sprechen, debattieren und diskutieren war also die logische Konsequenz.

„Irgendwann gab es dann die Situation, wo es einen Redekreis gab, eine Moderation. Die Kids wollten dann auch die Moderation übernehmen und haben sich gemeldet. Es gab plötzlich eine ruhige Gesprächssituation. Ich glaube niemand, der jemals mit den Kids zusammengearbeitet hat, hätte gedacht, dass das überhaupt möglich ist. Wir haben dann anderthalb Stunden über Sachen debattiert. An anderen Tagen war wieder völliges Chaos. Es war so viel los und dann war es ganz wichtig, ins Machen zu kommen“, so Lina Ruske.

Was die Kinder mit dem Geld machen wollen, hat offen gelegt, wie ihre Wünsche und Bedürfnisse verteilt sind. Ein erster größerer und intensiver Entscheidungsprozess drehte sich beispielsweise rund um den Kauf von Marken-Schuhen. Für die Kinder war es offensichtlich ein Grundbedürfnis, sich Schuhe für sich selbst zu kaufen. Selber darüber entscheiden zu können und nicht die eigenen Eltern. Das Statussymbol zu besitzen. Dazuzugehören.
Danach war klar, dass weitere Ausgaben nur für den Willen der gesamten Gruppe geschehen sollten. Das Resultat: viele gemeinsame Unternehmungen außerhalb und eine Schwarzlicht-Party; ausgerichtet von den Kids.

„Das Anliegen war auszuprobieren, was es bedeutet, wenn eine Teilhabe wirklich faktisch möglich wird. Nicht nur das darüber abstimmen und darauf hoffen, dass es umgesetzt wird, sondern wirklich zu sagen hier ist die Ressource. Die gibt’s. Ihr könnt wirklich was damit machen und wie fühlt sich das an, wirklich wirksam zu werden“, beschreibt Lina Ruske.

Die letzte Investition lief in den Bau eines Doppelstocksofas, an dem sich viele Kinder beteiligt haben und sich gleichermaßen daran erfreuen können. Gefördert wurde da Projekt durch die Liebelt Stiftung, die sich für die Integration sozial benachteiligter Jugendlicher über den Kanal der bildenden Kunst einsetzt.

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