Mi, 16.01.2019 , 19:08 Uhr

Clubbetreiber wollen Sperrstunde abschaffen

Dresden - Ein Bündnis von Dresdner Clubbetreibern möchte die Sperrstundenregelung abschaffen. Eigentlich müssen zwischen 5 und 6 Uhr alle Etablissements schließen, doch das sei heute nicht mehr zeitgemäß. Mithilfe einer Petition soll der Stadtrat auf das Thema aufmerksam gemacht werden.

Wussten Sie, dass es in Dresden noch eine Sperrstunde gibt? Zwischen 5 und 6 Uhr müssten eigentlich alle Bars und Clubs die Türen schließen. Doch für viele gehört es zur unverzichtbaren Freizeitgestaltung, am Wochenende von Mitternacht bis in die Morgenstunden zu feiern und den Alltag zu vergessen. Nun haben Christoph Töpfer, Betreiber des Clubs TBA, und Sascha Möckel vom Tolerave e.V. eine Petition gestartet, die den Stadtrat auf das Thema aufmerksam machen soll. Ursprünglich sollte die Sperrstunde als "Kehrstunde" die Sauberkeit und Arbeitsfähigkeit im Gastgewerbe sicherstellen, so dass sich in anderen Teilen Deutschlands auch noch Sperrstunden um 1 oder 3 Uhr finden. Das passt jedoch nicht mehr in eine Zeit, in der viele ihre Arbeitszeiten und Freizeitaktivitäten flexibler gestalten. Der Faktor des Lärmschutzes wird ohenhin mittlerweile vom Bundesimmissionsschutzgesetz geregelt.

Es gibt zahlreiche gute Gründe für die Abschaffung der veralteten Regelung. Zuvorderst erhebt das Ordnungsamt Beträge in vierstelliger Höhe für eine notwendige Ausnahmegenehmigung, was eine große finanzielle Belastung für Clubbetreiber darstellt. Ebenso ist es möglich, dass die Genehmigung gar nicht erst erteilt wird, weshalb das Verfahren bisweilen als willkürlich und intransparent kritisiert wird. Bei Nichteinhaltung der Sperrstunde von 5 bis 6 Uhr ohne Genehmigung drohen hohe Strafen. Ihre Einhaltung ist jedoch keine Option für einen Clubbetrieb, der gegen Mitternacht erst richtig beginnt. Somit bedroht die Sperrstunde auch die Arbeitsstellen von ca. 1000 Menschen, die entweder direkt im Club oder als Organisatoren und auftretende Künstler in der elektronischen Musikszene arbeiten.
Weiterhin steht die Befürchtung im Raum, dass sich ändernde politische Verhältnisse auch eine restriktivere Anwendung der überkommenen Regelung nach sich ziehen könnten, um alternative Kulturräume einzuschränken, so geschehen im letzten Jahr in Leipzig. Der weltbekannte Club "Institut für Zukunft" stand kurz vor der Schließung, nachdem Lärmbeschwerden zu einer strengen Anwendung geführt hatten. In der Folge organisierte ein breites Bündnis aus Kulturschaffenden und -genießenden eine Petition zur Aufhebung der Sperrstunde, wodurch viele Stadtratsabgeordnete erst auf das Thema aufmerksam gemacht wurden. Mit übergroßer Mehrheit wurde dann die Abschaffung beschlossen. Töpfer und Möckel erhoffen sich nun eine ähnliche Resonanz in Dresden, denn die Probleme zwischen Kulturbetrieb und ruhesuchenden Anwohnern sind hier ebenso vorhanden. Ein Beispiel ist der Neustädter Club "Sabotage", der aufgrund von Lärmbeschwerden und einer gescheiterten Vermittlung durch die Stadt schließen musste.

Die nun gestartete Petition ist auch ein Zeichen für eine größere Entwicklung in der Dresdner Subkultur, in der Party und Politisches nun immer öfter zusammen finden. Vielen Bürger*innen ist der alljährliche TOLERADE Umzug für Offenheit, Toleranz und Diversität bekannt, aus dem der gemeinnützige Tolerave e.V. hervorgegangen ist. Mit der dort entstandenen Vernetzung möchte die Clubszene jetzt auch politisch präsenter werden und ihre Interessen vertreten. Sie ist sowohl ein wichtiger Standortfaktor, der Dresden für viele attraktiver macht, als auch ein wichtiger Bestandteil der städtischen Kulturwirtschaft mit vielen Arbeitskräften, deren Besucherzahlen sich beispielsweise durchaus mit denen der städtischen Theater messen kann. Gerade im Hinblick auf die Bewerbung als Kulturhauptstadt 2025 wäre es ein wichtiges Signal, auch den Kulturschaffenden abseits des "barocken Disneylands" in der Altstadt die notwendige Anerkennung und Unterstützung zu geben, die sie verdienen und zum Überleben brauchen. Die Initiatoren der Petition haben schon einige Ideen, wie solch eine Unterstützung nach der Abschaffung der Sperrstunde aussehen könnte: finanzielle Förderung subkultureller Projekte, kostenfreie Plakatierflächen gegen das Wildplakatieren oder ein städtischer Lärmschutzfonds, mit dem sich Clubschließungen wegen Lärmbelästigung vermeiden ließen. Am Ende würden dabei alle gewinnen - Anwohner genießen mehr Ruhe, Clubs könnten sicherer planen und die Stadt profitiert vom weichen Standortfaktor eines attraktiven Nachtlebens.

Die Kampagne läuft bis Ende Februar, danach wollen die Initiatoren in weiterführende Gespräche mit den Stadtratsfraktionen gehen. Bisher sei die Resonanz vor allem von Seiten der Linken und Grünen sehr positiv gewesen. Das Ziel ist ein gemeinsamer Antrag, mit dem noch im März ein Beschluss erfolgen könnte. Interessierte können die Petition online unter www.openpetition.de/sperrstundedd unterstützen, ebenso liegen unter anderem in Neustädter Kulturbetrieben und Spätshops Unterschriftenlisten aus.


Videobeitrag & Artikel: Jonas Peupelmann

 

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