Die Bühnenshow vor dem Nischel lockte Zehntausende auf die Brückenstraße zum Feiern. Gemeinsam mit Bosse, Paula Carolina und Fritz Kalkbrenner feierten die Chemnitzer den Eröffnungsabend.
Der Platz vor dem Marx-Monument war bis auf den letzten Quadratmeter mit Menschen gefüllt. Selbst im Stadthallenpark standen die Zuschauer dicht an dicht, um die Eröffnungsshow live mitzuerleben. Und was geboten wurde, war spektakulär: Die Parteisäge hinter dem "Nüschel" wurde kurzerhand zur Leinwand umfunktioniert.
Bevor die große Eröffnungsparty am Nüschel startete, zogen zahlreiche Freiwillige eine alte Hartmann-Lok quer durch die Innenstadt. Dabei säumten so viele Zuschauer die Strecke, dass es zu Verzögerungen kam. Außerdem fehlte es am Ende an der einen oder anderen helfenden Hand, sodass unser Reporter vor Ort kurzerhand selbst mit anpackte.
Die Schleusen zur Partymeile sind nun geöffnet, und der Platz vor dem Marx-Monument füllt sich langsam. Um 19:00 Uhr soll hier die große Eröffnungsparty starten.
Nun spricht in der Chemnitzer Oper Kulturstaatsministerin Claudia Roth. „Ich glaube, das, was man hier spüren kann und hoffentlich nie mehr verliert, ist, dass Kultur der Herzschlag der Demokratie ist“, sagte Roth. „Das kulturelle Herz schlägt nun in Chemnitz und Nova Gorica, und man spürt das wirklich. Das ist nicht nur wichtig für Chemnitz, sondern für ganz Deutschland. Es ist unglaublich, was hier auf den Weg gebracht worden ist.“
Roth betonte, dass Chemnitz ein Leuchtturm sein könne. „Damit kann Chemnitz nachhaltig neue Strukturen entwickeln. Besonders schön finde ich, dass es dabei nicht um Superstars geht, sondern um Chemnitzer Vereine und Initiativen. Das ist wichtig für die Identitätsstiftung.“
Weiter hob sie hervor: „Chemnitz will Brücken bauen, wo andere Mauern errichten wollen. Chemnitz will integrieren, wo andere ausgrenzen wollen. Die Kultur der Demokratie unterscheidet uns von den autoritären Systemen. Das Motto C the Unseen ist ein Auftrag, ein Appell. Es erinnert uns daran, uns die europäischen Werte bewusst zu machen und zu verstehen, was die Freiheit von Kunst und Literatur bedeutet. All das ist nicht selbstverständlich.“
Abschließend erinnerte sie an den Wert dieser Prinzipien und ihre Bedeutung in der aktuellen Zeit: „Für diese Werte müssen wir streiten und kämpfen – wie die Menschen in der Ukraine, die sich gegen einen brutalen Aggressor verteidigen müssen. An sie möchte ich heute erinnern.“
Ministerpräsident Michael Kretschmer rollte mit einem Diamantfahrrad zur Rede in der Oper an. „Es ist ein unglaubliches Privileg, Kulturhauptstadt Europas zu sein – das haben sich die Chemnitzerinnen und Chemnitzer hart erarbeitet“, betonte Kretschmer. „Die Menschen hier sind ohne Schnörkel. Man kann sich auf sie verlassen, und genau das macht Chemnitz so besonders.“
Kretschmer bezeichnete den heutigen Tag als einen der schönsten Momente seiner Amtszeit. „Der Spruch, Chemnitz sei eine osteuropäische Stadt in Westeuropa, trifft es gut. Es geht darum, Unterschiede auszutauschen und zu klären.“
Er hob hervor, dass ohne den Bergbau Sachsen nicht zu verstehen wäre. „Die Zuwendung zu dieser Region ist etwas ganz Besonderes. Außerdem habe sich Chemnitz immer wieder neu erfunden. Dabei dürfen wir nicht vergessen, was die Grundlagen unseres Wohlstands sind – und diese gilt es zu verteidigen.“
„Am besten lässt man sich auf Chemnitz ein“, riet Kretschmer weiter. „Packen Sie einen Koffer, kommen Sie her und lassen Sie sich treiben. Besonders in der Weihnachtszeit biete auch die Region einen wunderbaren Anblick.“
Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: „Das Hochdeutsch mag hier manchmal schwierig sein, aber wenn man durch die Stadt geht, sieht man viele freundliche Gesichter. Chemnitz hat Selbstbewusstsein, und das zurecht. Die Chemnitzerinnen und Chemnitzer können stolz auf ihre Stadt sein.“
Frank-Walter Steinmeier zeigte sich in seiner Rede im Chemnitzer Opernhaus erfreut, dass mit Chemnitz eine deutsche Stadt ausgewählt wurde. „Es gibt so viel Unentdecktes zu entdecken, und ich weiß, dass diese Region enorm viel zu bieten hat.
Besonders beeindruckt mich, dass Menschen eine Bühne bekommen sollen, die bisher nicht im Rampenlicht standen und sich vielleicht übersehen fühlten. Genau das macht das Kulturhauptstadtjahr zu etwas ganz Besonderem: sichtbar machen, sich einmischen und etwas bewirken. Es soll Menschen zusammenbringen, die sonst kaum Berührungspunkte haben – genau das brauchen wir in diesen Zeiten: eine starke Gesellschaft, die sich selbst vertraut.“
Weiter betonte Steinmeier: „Chemnitz hat viele Umbrüche erlebt: eine zweifache Umbenennung und bittere Erfahrungen mit Rechtsextremismus. Ich erinnere mich noch gut an meinen Besuch im Jahr 2018. Damals habe ich gesagt, dass wir einen Dialog brauchen – doch dieser kann nur der Anfang sein. Konflikte wird es weiterhin geben, aber wir müssen lernen, erwachsen damit umzugehen.
Lasst uns das stärken, was uns verbindet. Lasst uns aus Unterschieden lernen und gemeinsam etwas Zukunftsweisendes entwickeln. Europa steht und bleibt für Einheit in Vielfalt – für Gemeinsamkeit trotz der Unterschiede.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist im Chemnitzer Opernhaus angekommen, und der Festakt hat begonnen. Sie können die Feierlichkeiten unter folgendem Link im Live-Stream bei Sachsen-Fernsehen mitverfolgen.
Rund um die Eröffnung der Kulturhauptstadt finden auch zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen statt. Während eine vom DGB organisierte Veranstaltung auf Vielfalt und Demokratie abzielt, versuchen die Freien Sachsen – eine rechtsextreme Gruppierung – die Kulturhauptstadteröffnung zu torpedieren. Wie Christin Furtenbacher, Stadträtin und Bundestagskandidatin der Grünen für Chemnitz, auf das Demonstrationsgeschehen blickt, hat unser Kollege Sascha Deß für Sie in Erfahrung gebracht.
Das Programm zur feierlichen Eröffnung der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 ist gestartet. Woher die Besucher kommen und welche Erwartungen sie an den heutigen Tag haben, haben wir auf den Straßen der Kulturhauptstadt für Sie in Erfahrung gebracht.
Chemnitz eröffnet das Kulturhauptstadtjahr mit großer Spannung und prominenten Stimmen. Was die Politikerinnen und Politiker dazu sagen, erfahren Sie hier:
Als Kulturhauptstadt Europas will sich Chemnitz in diesem Jahr als lebendige und vielfältige Stadt mit Narben und Brüchen zeigen. «Sie werden hier keine Hochglanzbroschüre vorfinden», sagte Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) am Eröffnungstag vor Journalisten. Zugleich verteidigte er die Entscheidung, einen Aufzug von Rechtsextremen zuzulassen.
Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sei ein sehr hohes Gut. Dazu gehöre, dass auch Dinge zugelassen würden, deren Inhalte viele unerträglich fänden. «Ich hoffe und wünsche mir sehr, dass wir heute zeigen können, wo die Mehrheit steht.»
Er freue sich auf ein Jahr voller Feierlichkeiten, in denen die Vielfalt, die Identitäten und die Werte der Europäischen Union präsentiert würden, erklärte EU-Kulturkommissar Glenn Micallef.
Kultur sei der Herzschlag unserer Demokratie, ergänzte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne). Und dieses «kulturelle Herz» schlage dieses Jahr in Chemnitz und Region sowie in Nova Gorica (Slowenien). (dpa)
Nach 15 Jahren stellt Deutschland wieder eine europäische Kulturhauptstadt. Unter dem Motto «C the Unseen» bietet Chemnitz ein Jahr lang mehr als 200 Projekte und 1.000 Veranstaltungen. Zum Auftakt an diesem Samstag werden Zehntausende Besucher erwartet.
Dazu gibt es Programme auf mehreren Bühnen, einen Festakt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und eine große Eröffnungsshow am Marx-Monument. Auch ein Rave am Rathaus ist geplant und 120 Menschen wollen eine historische Dampflok durch die Stadt ziehen, um an die reiche Industriegeschichte zu erinnern.
«Chemnitz und alle 38 beteiligten Kommunen haben mit diesem beeindruckenden Programm das Potenzial, einen kulturellen Leuchtturm zu schaffen, der in ganz Europa wahrgenommen wird», erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne). Das Programm, spreche ein breites Publikum an und präsentiere Kultur als Raum der Vielfalt, der lebendigen Demokratie, der engen europäischen Zusammenarbeit und der Weltoffenheit.
Wie ganz Ostdeutschland habe auch Chemnitz mit Vorurteilen und Stigmatisierungen zu kämpfen, gerade nach den Ausschreitungen von 2018, erklärte der Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider (SPD). Im Spätsommer 2018 hatte die Stadt wegen rechtsextremer Exzesse für Negativschlagzeilen gesorgt. Damals gab es rassistische Angriffe, von Hetzjagden auf Ausländer war die Rede.
«Ich wünsche mir, dass die Kulturhauptstadt Chemnitz überregionales Interesse weckt und lade besonders Westdeutschland ein, viel Ungesehenes zu entdecken, ganz nach dem Motto "C the Unseen"», so Schneider. Das Kulturhauptstadtjahr biete die Chance auf einen neuen, differenzierten Blick.
Chemnitz, das zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Stadt hieß, ist die viertgrößte Stadt in Ostdeutschland nach Berlin, Leipzig und Dresden. Es ist das vierte Mal, dass in Deutschland eine Stadt den Kulturhauptstadt-Titel trägt - nach West-Berlin (1988), Weimar (1999) und Essen (2010). Dazu werden im Laufe des Jahres rund zwei Millionen Besucher erwartet. (dpa)