Handarbeitstrends wie Sticken werden wieder beliebter. Anika Wiegert aus Leipzig, bekannt als „Stichadelixx“, erklärt, was sie an diesem Hobby fasziniert und warum es für viele als Ausgleich dient.
Sticken – für viele klingt das nach Omas Sofa, altmodischen Blumenmustern und gemütlichen Nachmittagen mit Häkeldeckchen. Doch weit gefehlt: In Leipzig erlebt das traditionelle Handwerk gerade ein überraschendes Comeback. Eine der Frauen, die diesen Trend prägt, ist Anika Wiegert – online besser bekannt als „Stichadelixx“.
Die 37-Jährige mischt Horror, Neon und verspielte Details zu etwas ganz Eigenem. Ihre Stickbilder leuchten im Dunkeln, zeigen Fantasiefiguren, Perleninsekten und manchmal sogar Miniaturwesen, die aussehen, als wären sie direkt aus einem Gothic-Märchen gefallen. Altbacken? Fehlanzeige.
Für Anika begann alles eher zufällig: Sie suchte einen kreativen Ausgleich – und fand eine neue Leidenschaft.
„Ich vergesse beim Sticken die komplette Welt“, erzählt sie. „Essen, Trinken, Schlafen – brauche ich in dem Moment alles nicht.“
Genau dieses völlige Abschalten ist einer der Gründe, warum Handarbeiten gerade ein Revival erleben. Ob Sticken, Töpfern, Knüpfen oder Tufting: Viele Menschen suchen wieder etwas Echtes. Etwas, das man anfassen kann. Etwas, das bleibt.
Handarbeit wird damit zum Gegenpol eines Alltags, der oft nur aus Scrollen, Tippen und Bildschirmen besteht.
Anika stickt nicht nur für sich selbst – sie bringt es inzwischen auch anderen bei.
In Workshops zeigt sie Menschen, wie vielseitig und modern das Hobby sein kann. „Sticken muss nicht brav sein“, sagt sie und lacht. Und genau das beweisen ihre Kursteilnehmerinnen oft schon nach wenigen Minuten, wenn ihre ersten Motive entstehen: schräg, bunt, wild oder elegant – aber immer persönlich.
Auch auf Social Media wächst ihre Community stetig. Unter „Stichadelixx“ teilt Anika ihre Arbeiten und inspiriert andere, selbst zur Nadel zu greifen. Viele schreiben ihr, dass sie durch ihre Videos den Mut gefunden haben, wieder mit einem alten Hobby anzufangen. Andere holen sich bei ihr Tipps für eigene kreative Projekte.
Obwohl sie erst seit kurzer Zeit stickt, hat das Hobby viel in ihr bewegt.
„Warum hab ich das nicht früher gemacht?“, fragt sie sich selbst. Durch das Sticken ist sie sichtbarer geworden – mutiger, selbstbewusster und offener. Das merkt man auch auf ihrem Instagram-Profil, das längst nicht mehr nur ihre Bilder zeigt, sondern auch sie selbst.
Und dann ist da noch ihr kleiner Traum:
Ein eigener Stand auf einem Kunstmarkt – mit einer neongrünen Leoparden-Flauschedecke, Käferfiguren aus Perlen und Stickbildern, die im Dunkeln leuchten. Ein Bild, das man sofort vor sich sieht. Ein Bild, das so typisch für sie ist.
Für Anika ist die Sache klar:
„Wir sind diesem digitalen Zeitalter ein bisschen satt. Menschen brauchen wieder einen Anker im echten Leben.“
Sticken ist dafür perfekt geeignet. Es entschleunigt, erdet, und schenkt am Ende ein Ergebnis, das man in den Händen halten kann. Ein Faden, der Vergangenheit und Gegenwart verbindet.
Und genau deshalb erlebt ein scheinbar altes Hobby gerade eine erfrischend moderne Renaissance – mitten in Leipzig, mit viel Neon, Horror und Herz.