Mi., 19.02.2025 , 15:08 Uhr

Die Geschichte des Künstlerkollektives Clara Mosch und der Galerie Oben wird in den Kunstsammlungen Chemnitz anhand von Zeichnungen und vor allem durch Fotos erzählt

Chemnitz: Kunst zwischen Freiheit und Zensur

Chemnitz- Kunst als Akt des Widerstands – was heute selbstverständlich erscheint, war in der DDR ein gefährliches Spiel mit der Macht. Während das Regime Freigeist und Kritik unterdrückte, kämpften Künstlerinnen und Künstler mit Pinsel, Papier und provokanten Aktionen gegen die Grenzen der Zensur. Eine Gruppe, die dabei besonders auffiel: Clara Mosch. Die Geschichte der Künstler kann man nun in den Kunstsammlungen Chemnitz im Rahmen einer neue Ausstellung nachvollziehen. Dabei spielen vor allem Fotos eine Rolle, die vom Künstlerkollektiv gefertigt wurden aber auch der Staatsicherheit vorlagen.  

Ein Paradoxon stellt sowohl in der Literatur als auch in der Wissenschaft einen logischen Widerspruch dar. In diesem Sinne darf auch der Untertitel der aktuellen Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz am Theaterplatz – „Freie Kunstszene und Deutsche Demokratische Republik“ – als solcher verstanden werden. Die Schau legt unter dem Titel „Galerie Oben/Clara Mosch“ den Fokus auf die freie Kunstszene der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 in den 1970er- und 1980er-Jahren.

Für Kunstschaffende eine bleierne Zeit, denn das sozialistische Regime setzte ihnen in der DDR enge Grenzen – Grenzen, die die Künstlergruppe Clara Mosch nicht akzeptieren wollte. Die Geschichte des Kollektivs und der Galerie Oben wird anhand von Zeichnungen und vor allem durch Fotos erzählt. Doch diese Bilder dokumentieren nicht nur das künstlerische Schaffen, sondern bergen eine zweite, unsichtbare Geschichte. Denn die Aufnahmen lagen nicht nur den Künstlern vor, sondern auch der Staatssicherheit. Einer der Künstler war als inoffizieller Mitarbeiter angeworben worden und übermittelte die Fotos an das Regime.
Das erklärt, warum die Künstler zwar Repressalien ausgesetzt waren, Mielkes Truppen jedoch ein vollständiges Verbot der Gruppe vermieden. Eine aufgelöste Künstlergemeinschaft lässt sich schließlich schlechter überwachen als eine infiltrierte. Der Bekanntheit der Gruppe tat das allerdings keinen Abbruch. Überregionale Aufmerksamkeit erlangte sie jedoch weniger durch Stift und Fotoapparat, sondern vor allem durch unkonventionelle Veranstaltungen und Aktionen.

Ironische Provokation sorgte für Unruhe – vor allem bei der Staatssicherheit. Die Künstler waren dem repressiven Regime ein Dorn im Auge, denn sie loteten nicht nur die Grenzen des Kunstbegriffs aus, der in der DDR sehr eng definiert war, sondern legten auch gezielt den Finger in gesellschaftliche Wunden. Thomas Ranft, Mitglied der Gruppe Clara Mosch, bezeichnet sich selbst gern als „Obermoschianer“. In dieser Funktion verhüllte er Bäume in freier Natur und machte so im Arbeiter- und Bauernstaat auf Missstände im Umweltschutz aufmerksam. Eine spätere Diskussion zu diesem Thema mit Studierenden ging den Behörden zu weit – und die Repressalien folgten prompt. Diese trafen jedoch nicht nur die Künstler selbst, sondern auch jene, die ihnen in der DDR eine Bühne boten.
Trotz all der Schikanen setzte die Künstlergruppe ihre Arbeit bis 1982 fort. Dagmar Ranft-Schinke wollte ihr Schaffen zwar nicht als gezielt politisch verstanden wissen, doch sie betonte, dass Kunst nicht im luftleeren Raum stattfinde. Sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinanderzusetzen, sei daher eine natürliche Konsequenz gewesen.
Dafür brauchte es neben einer gehörigen Portion Mut vor allem ein starkes Nervenkostüm und große Beharrlichkeit. Denn die Staatssicherheit gängelte die Künstler, wo sie nur konnte. Ausufernde Bürokratie in Form von Anträgen und Stellungnahmen war dabei oft noch das kleinere Übel. Für Kuratorin Marie Winter verdient diese Hartnäckigkeit höchsten Respekt.
Um der Vielfalt der Werke der einzelnen Künstler gerecht zu werden, haben sich die Ausstellungsmacher entschieden, in einem Raum monatlich wechselnde Einzelpräsentationen der beteiligten Künstler zu zeigen. Der Austausch erfolgt an jedem dritten Mittwoch im Monat. Damit schließt sich der Kreis zur Galerie Oben – denn genau diese Mittwochsveranstaltungen prägten die freie Kunstszene der 1970er- und 1980er-Jahre und machten das Kollektiv auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.