Chemnitz- Einst grauer Inbegriff sozialistischer Stadtplanung, heute Symbol für gelungenen Wandel: Das Fritz-Heckert-Gebiet in Chemnitz hat den größten Teil seiner Transformation bereits geschafft. Zwischen sanierten Wohnzeilen, neuen Grünflächen und belebten Quartieren zeigt sich, dass aus einem ehemaligen Problemviertel wieder ein lebenswerter Stadtteil werden kann.
Es war eines der größten Plattenbaugebiete der DDR: Über 90.000 Menschen lebten zu Hochzeiten im Waschbetondschungel am Rande der Stadt. Als Großwohnsiedlung in Plattenbauweise konzipiert, sollte das sogenannte Fritz-Heckert-Gebiet die Wohnungsnot lösen. Das Quartier wurde autark konzipiert – alles unbedingt Notwendige musste fußläufig erreichbar sein.
Im Arbeiter- und Bauernstaat waren die Wohnungen heiß begehrt. Das änderte sich im Zuge der Wiedervereinigung. Um die Jahrtausendwende war rund ein Drittel der Wohnungen nicht mehr bewohnt. Andere Stadtteile wurden attraktiver. So wurden zum Beispiel lange verfallene Wohnhäuser in anderen Stadtteilen nach der Wiedervereinigung saniert. Am Ende hieß es: Waschbeton gegen aufpolierte Gründerzeithäuser. Das Ergebnis war absehbar.
Um den Wegzug zu stoppen, musste umgeplant – sprich: transformiert – werden. Ebenjene Veränderungen sind nun in einem Buch zusammengefasst worden. Einer der beiden Autoren heißt Norbert Engst und gilt in der Stadt sozusagen als Chronist des Heckerts. Die Transformation des Fritz-Heckert-Gebiets lässt sich aus Engsts Sicht auf drei Säulen herunterbrechen: die städtebauliche, die architektonische und die soziale. Letztere betraf vor allem auch die Kinder.
Im Zuge der Transformation kamen auch die Namen der Bauabschnitte auf den Prüfstand. So wurden den Baugebieten historische Ortsnamen vergeben. Das sollte zur Identitätsstiftung beitragen, denn vorher gab es keine Bezeichnungen, sondern lediglich Nummern für die einzelnen Bauabschnitte des Heckert-Gebiets. Das Problem scheint allerdings eher bei den Planern der Transformation aufgepoppt zu sein. Denn „Ureinwohner“ beantworten die Frage nach ihrer Herkunft gern kurz und knapp mit ‚Heckert‘. Bei genauerem Nachfragen wird einfach die Nummer des Bauabschnitts nachgeschoben – was Eingeweihte in der Regel sofort entschlüsseln können. An diesem Punkt wird aus Sicht von Norbert Engst auch klar, dass die Transformation als Weg für das Plattenbaugebiet der bessere im Vergleich zur Planierraupe gewesen ist. Denn wenn schon der Name Identität stiftet, dann hätte ein kompletter Abriss vermutlich das Gegenteil bewirkt.
Die Transformation ist längst nicht abgeschlossen – zumindest wenn man auf die Einwohnerzahlen schaut. Denn nach langer Durststrecke sind diese wieder angestiegen. Selbst Kindergeschrei, zu DDR-Zeiten der übliche Straßensound, ist nach langer Zeit des Wegzugs wieder zu hören. Aus Sicht von Engst ein positives Zeichen. Die schwankenden Zahlen machten sich auch an anderer Stelle bemerkbar, nämlich bei der Parkplatzsuche im Heckert. Die Geschichte um den Abstellort des Autos – am besten direkt vor der Platte – ist so komplex, dass sie einen eigenen Namen trägt: das Parkplatz-Paradoxon. Das Problem löste sich dann mit der Zeit von selbst – durch den Wegzug der Bewohner.
Über die Geschichte des Heckert-Gebiets nachzudenken, heißt, in der Vergangenheit zu schwelgen. Und manch einer kommt dabei auf die Idee, dass früher – ungeachtet der politischen Systeme – alles besser war. Dem widerspricht Norbert Engst vehement. Denn der nostalgische Blick blende oft aus, wie dicht an dicht die Waschbetonbauten früher standen und in welchem Bauzustand sich das Heckert kurz nach der Wende befunden hat. Heute steht das Fritz-Heckert-Gebiet sinnbildlich für den Wandel vieler ostdeutscher Großsiedlungen – zwischen Rückbau und Neubeginn, zwischen Erinnerung und Aufbruch. Was einst als grauer Betonblock galt, wird zunehmend zum Lebensraum mit Geschichte, Identität und neuer Perspektive. Die Transformation ist noch nicht abgeschlossen – doch sie zeigt, dass Veränderung nicht immer Verlust bedeutet, sondern manchmal auch eine zweite Chance.