Leipzig, 17. Juni 2025 – Mitten im Gehweg vor dem Haus am Floßplatz 6 glänzt seit Dienstag ein kleiner Stein aus Messing – und erzählt die Geschichte eines Mannes, der einst zum kulturellen Leben Leipzigs gehörte. Der Komponist, Musiker und frühere Mitarbeiter der Mitteldeutschen Rundfunk AG, Erich Liebermann-Roßwiese, wurde 1942 Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Jetzt erinnert ein Stolperstein an sein Leben – und an seine gewaltsam beendete Existenz.
Die Verlegung ist Teil der 16. Jüdischen Woche in Leipzig, bei der mit mehr als 100 Veranstaltungen jüdisches Leben in der Stadt sichtbar gemacht wird. Einer der Höhepunkte: die feierliche Verlegung neuer Stolpersteine, organisiert von der AG Stolpersteine und unterstützt von zahlreichen Schulen, Initiativen und Vereinen.
Liebermann-Roßwiese, ein „geselliger Mann, der das Leben liebte“, wie Christopher Mäbert vom Erich-Zeigner-Haus sagt, wurde 1886 geboren und war in Leipzig als Musikredakteur und Komponist tätig. 1942 kam er ins Ghetto Riga, wo sein Leben unter tragischen Umständen endete.
Dass sein Name heute nicht vergessen ist, ist vor allem einer Schülergruppe der Thomasschule Leipzig zu verdanken. Acht Jugendliche der 10. und 11. Klassen haben sich anderthalb Jahre lang intensiv mit seiner Biografie auseinandergesetzt – unterstützt vom Erich-Zeigner-Haus. Neben Quellenrecherche gehörten auch Exkursionen ins Stadtarchiv und in das Jüdische Museum Berlin zum Projekt.
Die Schülerinnen und Schüler haben sich weit über den Unterricht hinaus engagiert. Sie haben nicht nur Fakten gesammelt, sondern ein echtes Gefühl für dieses Schicksal entwickelt, betonen die Verantwortlichen. Dass nun ein Stolperstein an Liebermann-Roßwiese erinnert, sei ein starkes Zeichen – im Alltag, im öffentlichen Raum, mitten in der Stadt.
Wenn vor einer Haustür ein Stein liegt, müssen die Nachbarn das mitbekommen haben, wie die Menschen verschleppt und aus den Wohnungen geholt wurden., so Mäbert.
Stolpersteine gelten europaweit als dezente, aber eindrückliche Form des Gedenkens. In Leipzig wurden bisher rund 800 dieser kleinen Tafeln im Gehweg verlegt – jeweils vor dem letzten freiwillig gewählten Wohnort eines NS-Opfers.
Für die Jugendlichen ist das Projekt mehr als ein Geschichtsprojekt: Es ist ein Beitrag gegen das Vergessen – und ein Aufruf zu Haltung. Oder wie es bei der Veranstaltung am Dienstag hieß: Antisemitismus begegnet man nicht nur mit Worten, sondern mit Bildung, Erinnerung – und Verantwortung.