Vor 1933 waren viele Objekte verspielt, farbig und modern. Mit der Machtübernahme änderte sich das radikal: Formen wurden schlichter, Farben gedämpfter, Materialien stärker vorgegeben. Die Reichskulturkammer bestimmte, was als „angemessen“ galt – oft nicht durch offene Verbote, sondern über subtile Vorgaben.
Museumsdirektor Dr. Olaf Thormann beschreibt das Grassi dieser Zeit als eine Art Schaltzentrale für Kunsthandwerk. Viele kulturpolitische Entscheidungen der NS-Zeit seien eng mit den Grassi-Messen verbunden gewesen.
Thormann betont, dass das Museum bewusst den aktuellen gesellschaftlichen Kontext einbezieht. Nach einer ersten Museumschronik von 2015 wolle man nun tiefer in die eigene Geschichte eintauchen – auch als Reaktion auf das Erstarken rechtsnationaler Strömungen.
Die Ausstellung zeige, so das Museum, wie sich das Haus damals entwickelte und wie politisch gesteuerte Gestaltung den Alltag prägte.
In den Räumen des Museums wird deutlich, wie schleichend die Veränderungen verliefen. Teller, Schüsseln und Tassen ähnelten sich plötzlich stark – meist weiß oder grau, ohne Dekor. Ein einheitliches Suppengeschirr wurde von zahlreichen Porzellanfirmen produziert.
Auch die Mode passt in dieses Bild: einfache Schnitte, wenige Farben, kaum Muster. Ein deutlicher Bruch zu den experimentellen Designs der Weimarer Zeit.
Bevorzugt wurden „deutsche“ Materialien wie Eiche, Zinn oder Schmiedeeisen. Mit Beginn des Krieges änderte sich das erneut: Zinn wurde für die Rüstungsproduktion benötigt und durch Aluminium oder einfache Legierungen ersetzt. Diese Entwicklungen lassen sich bis heute an vielen Objekten ablesen.
Das Grassi-Museum möchte Besucher ermutigen, Gestaltung kritisch zu betrachten – und zu erkennen, wie Ideologie selbst alltägliche Dinge formt.
Die Ausstellung „Formen der Anpassung“ ist ab sofort zu sehen und läuft bis zum 20. April 2026 im Grassi-Museum für Angewandte Kunst in Leipzig.