Mo., 28.07.2025 , 19:32 Uhr

Was rechtens ist, muss im Zweifel allerdings nicht narrensicher sein

Gleich beschildert, ungleich behandelt - Warum Tempo 30 an Feiertagen Auslegungssache ist

Chemnitz- Verkehrsschilder sollen Orientierung geben – doch in Sachsen herrscht an manchen Tagen eher Verwirrung als Klarheit. Tempo 30 vor Schulen gilt auch an Feiertagen? Nicht überall. Denn obwohl die Schilder gleich sind, legen Städte und Gemeinden mitunter unterschiedlich aus. Die Folge: Was in der einen Stadt mit einem Bußgeld endet, bleibt wenige Kilometer weiter völlig folgenlos.

Marion Grund ist schon wieder sauer. Die rüstige Rentnerin wurde in einer Tempo-30-Zone mit der Zusatzbeschilderung „Schule“ sowie „Mo bis Fr“ am Karfreitag geblitzt. 7 km/h zu viel standen zur Debatte. Für die 74-Jährige eigentlich unverständlich – denn an Feiertagen ruht auch in Bildungseinrichtungen der Schulbetrieb. Aber: Gesetz ist nun mal Gesetz, dachte sich zumindest Frau Grund – und zahlte zähneknirschend die Strafe. Doch was in Mittelbach geahndet wird, läuft rund 20 Kilometer weiter quasi unter dem Radar. Vor der Schule am Taurastein in Burgstädt im Landkreis Mittelsachsen wird mit exakt derselben Beschilderung das Tempo gedrosselt – allerdings werden Verstöße an Feiertagen dort nicht geahndet.
Das heißt: Für Autofahrer freie Fahrt – zumindest bis Tempo 50.  Natürlich kann nicht jeder machen, was er will – auch eine Kulturhauptstadt nicht. Doch es gibt Ermessensspielraum. Und der zeigt sich in zahlreichen Urteilen mit unterschiedlicher Rechtsauslegung. Aus Sicht des ADAC - Vertragsanwalt Tim Küchenmeister hätten  die Kommunen  in dieser Angelegenheit die Qual der Wahl – und könnten im Zweifel durchaus bürgerfreundlicher agieren. In Chemnitz hat man sich offenbar für die Kasse entschieden. Damit folgt die Stadt einem Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg. Auf Anfrage teilte das Rathaus außerdem mit, dass es "im Interesse der Verkehrssicherheit sei, es nicht einzelnen Verkehrsteilnehmern zu überlassen, anhand der Örtlichkeiten zu beurteilen, ob die Geschwindigkeitsbegrenzung auch für gesetzliche Feiertage, die auf einen Wochentag fallen, gelten soll." Daran ändere auch das Zusatzschild "Schule" nichts. Die Verfahrensweise im benachbarten Landkreis Mittelsachsen sei zwar nicht bekannt, für die hiesige Entscheidung aber auch nicht maßgeblich. Soll heißen: Alles bleibt, wie es ist – gesetzlich abgesichert. Was rechtens ist, muss im Zweifel allerdings nicht narrensicher sein. Das wird auch beim ADAC sichtbar. Dort sorgt das Thema nach roten Tagen im Kalender verlässlich für einen Anstieg des Beratungsbedarfs.
Für Marion Grund sind zumindest, was das Rechtliche angeht, kaum mehr Fragen offen. Sie fahre ab sofort auch an Feiertagen 30. Dass ihr Fall im Netz heiß diskutiert wird, war für die Seniorin zwar nicht abzusehen. Daran störe sie sich aber nicht – im Gegenteil: So würde die Problematik zumindest bekannt gemacht.