Mo., 16.06.2025 , 16:47 Uhr

Auch der sowjetische Geheimdienst nutzte die Zellen – vor allem in den frühen Nachkriegsjahren

Kaßberg-Gefängnis: Vergessene Opfer im Fokus

Chemnitz- Ein düsteres Kapitel der Nachkriegsgeschichte: Am Anfang der SDAG Wismut standen Repression, Misstrauen und Angst. Die Geschichte des Kaßberg-Gefängnisses zeigt, wie eng politischer Terror und wirtschaftliche Interessen in der frühen DDR verknüpft waren.

Es ist eine eher unbekannte Geschichte des Kaßberg-Gefängnisses: Der Bau diente nicht nur als letzte Station für freigekaufte Häftlinge auf dem Weg in den Westen. Auch der sowjetische Geheimdienst nutzte die Zellen – vor allem in den frühen Nachkriegsjahren. Die Schergen Stalins nahmen zunächst Menschen ins Visier, die sich dem entstehenden kommunistischen System widersetzten. Mit dem Beginn des Uranbergbaus in der Region Aue–Bad Schlema wurden die Zellen auch dazu genutzt, vermeintliche Delinquenten innerhalb des später als SDAG Wismut bekannten Betriebs zu maßregeln. Die Vergehen waren oft konstruiert – die Strafen hingegen drakonisch.
Hintergrund der rigiden Überwachung war das nukleare Wettrennen, bei dem die Sowjetunion aufzuholen versuchte. Das dringend benötigte Uran kam zunächst vor allem aus Sachsen – einem Gebiet, das vor dem Mauerbau auch für westliche Spione vergleichsweise leicht zugänglich war. Und  Zur Geschichte gehört auch, dass viele der damaligen Bergarbeiter wenige Jahre zuvor im Zweiten Weltkrieg als Feinde der Sowjetunion gegolten hatten.  
Bis zu 25 Jahre Haft drohten Menschen, die ins Visier der Geheimdienste gerieten. Auch Todesurteile wurden vollstreckt: Bis zu 63 Hinrichtungen sind dokumentiert – die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Die Daten stammen aus russischen Archiven, die in den 1990er Jahren einsehbar waren. Warum die Todesurteile verhängt wurden, ist jedoch oft unklar – denn die „Geständnisse“ wurden in der Regel durch brutale Folter erzwungen.
In den 1950er Jahren überdachten die sowjetischen Besatzer ihr Vorgehen. Mit Repressalien und Zwang ließ sich der Personalbedarf im Uranbergbau kaum decken. Nach Stalins Tod setzte man daher vermehrt auf Anreize: höhere Löhne, Vergünstigungen und soziale Absicherung.
Doch Misstrauen blieb Staatsprinzip. Ganz nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ wurden auch sowjetische Mitarbeiter überwacht – nach Gründung der SDAG Wismut zunehmend durch die Staatssicherheit der DDR.
Die Geschichten über erpresste Geständnisse und Todesurteile unter Wismut-Bergleuten sind heute kaum präsent. Das liegt auch daran, dass die Arbeit unter Tage in der Region oft verklärt wurde und der Preis dafür in Vergessenheit geraten ist.