Chemnitz- Was die zwölf Freiwilligen am Dienstag mit vereinten Kräften aus dem Lokschuppen des Sächsischen Eisenbahnmuseums Chemnitz-Hilbersdorf zogen, darf zu Recht als in Stahl manifestiertes industriell-kulturelles Erbe der zukünftigen Kulturhauptstadt bezeichnet werden. Vor versammelter Presse wurde am Eisenbahnschauplatz sozusagen ein Warm-up für die Eröffnungsgala des Kulturhauptstadtjahres zelebriert. Denn die Dampflok 98 7056 – so die technische Bezeichnung der abgekürzt "Hegel" genannten Zugmaschine – wird am 18. Januar durch die Innenstadt rollen.
Gebaut wurde das Dampfross in den Hallen von Richard Hartmann, einem der bekanntesten Industriellen der Stadt. Und hier schließt sich der Kreis, jedenfalls für Mareike Hohlfeld. Denn das Besuchs- und Informationszentrum für Chemnitz 2025 ist in einer der ehemaligen Produktionsstätten Hartmanns untergebracht.
Was da am Seil durch die Chemnitzer Innenstadt transportiert werden soll, hat noch mehr mit der zukünftigen Kulturhauptstadt gemein. Chemnitz galt vor mehr als Jahren als „deutsches Manchester“. Zahlreiche kleine und große Fabriken erinnern bis heute an diese Zeiten. Mit der Industrie kam Geld in die Stadt – und wo dieses im Überfluss vorhanden war, gedieh auch die Kultur in all ihren Farben, Formen und Facetten. Kultur, die eben 2025 zelebriert werden soll.
Außenstehenden dürfte Maximilian Claudius Noack vermutlich als „König der Pufferküsser“ erscheinen. Eingeweihten hingegen ist er als Leiter von Deutschlands größtem und einem der bedeutendsten Eisenbahnmuseen bekannt. Auf dem Gelände werden unzählige Lokomotiven ausgestellt und gepflegt. Dass es nun die Lok „Hegel“ geworden ist, kann Noack auch historisch nachvollziehen. Doch neben der Geschichte spielten bei der Auswahl ganz praktische Erwägungen eine Rolle. Denn die ausgewählte Lokomotive wiegt bedeutend weniger als andere Vertreter ihrer Zeit.
Am Eisenbahnschauplatz ist man natürlich stolz darauf, ein Teil der Eröffnungszeremonie der Kulturhauptstadt Europas 2025 sein zu dürfen. Allerdings erhofft man sich auch Publicity in eigener Sache. Denn das Museum verfügt lediglich über fünf Mitarbeiter. Den Rest stemmen Ehrenamtliche, deren Anzahl immer weiter zurückgeht. Da kommt die Möglichkeit des Recruitings unter den Augen der Weltöffentlichkeit gerade recht. Der Auftritt an der Lok als Auftritt in eigener Sache – ein Grund, den die zwölf Freiwilligen am Seil im Interview ebenfalls immer wieder betonten.
Unterstützt wurden die ehrenamtlichen 'Lokzieher' von Cristina Pop. Sie war aus Rumänien angereist und dürfte mit der Organisation derartiger Events bestens vertraut sein. Auf Tipps und Anregungen angesprochen, wiegelte die ehemalige Leiterin des Freiwilligenprogramms der Kulturhauptstadt Timișoara 2023 ab. Es laufe alles bestens, Verbesserungsbedarf sei kaum vorhanden. Allerdings scheinen die Chemnitzer bei der Planung der Kulturhauptstadt 2025 auch ein Auge nach Rumänien geworfen zu haben. Cristina Pop erkannte den einen oder anderen Programmpunkt ehemaliger Kulturhauptstädte wieder. Das sei allerdings legitim, zumal Chemnitz seine vorhandenes Potential optimal nutze.
Der Probelauf darf durchaus als Erfolg bezeichnet werden. Damit „Hegel“ wirklich durch die Chemnitzer Innenstadt rollen kann, sucht das Team um Mareike Hohlfeld allerdings noch Freiwillige, denn aktuell gebe es wenig Rückmeldungen. Ein Problem sieht die Leiterin darin allerdings nicht. Die Chemnitzer seien am Anfang gern ein bisschen zurückhaltend; wenn es dann hart auf hart komme, hätten sich noch immer ausreichend Freiwillige gefunden. Und es gibt tatsächlich Schlimmeres, als Hand in Hand das ehemalige Schmuckstück Chemnitzer Konstruktionskunst im Januar Richtung Kulturhauptstadt zu ziehen.