Über vier Etagen hinweg entfaltet sie ein vielstimmiges, überraschendes Bild Europas in den 1920er und 1930er Jahren – einer Zeit zwischen Aufbruch und Abgrund. Erstmals wird der Realismus dieser Zwischenkriegsjahre im gesamteuropäischen Maßstab beleuchtet. Rund 300 Werke aus 20 Ländern entfalten ein Panorama der Gegensätze: Blüte und Verfall, Vergnügen und Armut, Emanzipation und Ideologie. Vom Glamour des Nachtlebens bis zur Härte des Alltags, von der Sportbegeisterung bis zu neuen Rollenbildern der Frau – European Realities ist ein lebendiges Porträt einer Epoche im Umbruch. Die Kunst wird dabei zum Seismograf gesellschaftlicher Entwicklungen – und offenbart erstaunliche Parallelen zu unserer Gegenwart, wie Dr. Florence Thurmes, Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz erklärt.
Auch überraschende Kapitel der Zeitgeschichte werden sichtbar. „Die 1920er sind ja auch die Jahre des Vergnügens und des Ausgehens – und auf einmal wird Sport zu einem Massenphänomen“, erzählt Anja Richter. Boxkämpfe, Fußballspiele – Sportereignisse prägten das öffentliche Leben. Dabei wird in der Ausstellung eine fast vergessene Tatsache wieder erlebbar gemacht.
European Realities knüpft dabei an Gustav Friedrich Hartlaubs bahnbrechende Präsentation der Neuen Sachlichkeit von 1925 an – und führt diese Linie konsequent in europäische Kontexte weiter. Für Dagmar Ruscheinsky, Kulturbürgermeisterin von Chemnitz ist European Realities weit mehr als eine Kunstausstellung – sie ist ein kulturelles Statement im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres, ein Aufruf zur Verständigung und zur Erinnerung an gemeinsame europäische Wurzeln. Die Ausstellung macht deutlich: Kunst war nie nur Abbild – sie war Kommentar, Spiegel und Kritik zugleich. In einer Zeit, in der Europa erneut auf der Suche nach seiner Identität ist, wirkt dieses künstlerische Echo aus der Vergangenheit aktueller denn je.