„Ich habe wieder angefangen, physische Bücher zu lesen“, erzählt eine Leipziger Studentin bei einer Straßenumfrage. Eine Zeit lang sei das Lesen untergegangen – zu viel Handy, zu viele Ablenkungen. „Jetzt habe ich mir wieder Bücher besorgt und merke, wie gut mir das tut.“
Dass Lesen heute mit vielen anderen Medien konkurriert, zeigen auch Zahlen. Laut JIM-Studie 2024 lesen 37 Prozent der 12- bis 19-Jährigen regelmäßig gedruckte Bücher, unabhängig von Schullektüre. Gelesen wird im Schnitt rund eine Stunde pro Tag. Lesen ist also nicht verschwunden – aber es muss sich behaupten.
Gerade junge Menschen berichten davon, dass Lesen zunächst wieder eingeübt werden muss. „Meine Aufmerksamkeitsspanne war durch soziale Medien ziemlich runter“, sagt eine Studentin. Doch der Effekt sei überraschend: „Sobald man wieder drin ist, ist Lesen eher entspannend als anstrengend.“
Was viele am Buch schätzen, ist genau das, was digitale Medien nicht bieten: Ruhe und Greifbarkeit. „Ich mag es, ein Buch in der Hand zu haben, den Fortschritt zu sehen und nicht ständig auf einen Bildschirm zu schauen“, sagt eine junge Leserin. Haptik statt Scrollen, Konzentration statt Dauerablenkung – für viele ist das gedruckte Buch ein bewusster Gegenpol zum Digitalen.
Um diese Eindrücke einzuordnen, hat Sachsen Fernsehen mehrere Leipziger Buchhandlungen angeschrieben und nach aktuellen Verkaufszahlen und Veränderungen im Leseverhalten gefragt. Die Rückmeldungen zeichnen ein ähnliches Bild: Vor allem jüngere Menschen kommen wieder häufiger in die Läden.
Die unabhängige Leipziger Buchhandlung ROTORBOOKS schreibt dazu:
„Wir freuen uns, dass wieder viele jugendliche Leserinnen und Leser in die Buchhandlung kommen. Die attraktive Gestaltung der Bücher ist dabei ein deutlicher Kaufanreiz.“
Cover, Papier, Typografie – das Buch wird wieder stärker als Objekt wahrgenommen. Nicht nur der Inhalt zählt, sondern auch die Form.
Genau hier setzt auch die Ausstellung „Die schönsten deutschen Bücher 2025“ an. Einer der Kuratoren ist der Journalist Nils Kahlefendt, der seit Jahren für die Stiftung Buchkunst arbeitet. Für ihn ist das gedruckte Buch kein Auslaufmodell: „Paul Valéry hat einmal gesagt: Das Buch ist eine vollkommene Lesemaschine.“
Ein Buch sei über Jahrhunderte perfekt auf den Menschen abgestimmt – auf Augen, Hände und Orientierung. „Das analoge Buch ist ein wunderbares Betriebssystem“, sagt Kahlefendt. Die Ausstellung ist noch bis 18. Januar 2026 kostenfrei in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig zu sehen.
Eine ähnliche Einschätzung kommt auch aus dem Leipziger Comicbuchhandel. Christin Kündiger beobachtet, dass Audioformate dem gedruckten Buch nicht die Kundschaft abgraben. „Audioangebote sind im Comicbereich keine Konkurrenz“, sagt sie. Vielmehr sei zu beobachten, dass digitale Inhalte zunehmend wieder als Printausgaben erscheinen.
Lesen verschwindet also nicht – es verändert sich. Gedruckt, digital und als Audio stehen heute nebeneinander und erfüllen unterschiedliche Bedürfnisse.
Aktuelle Marktdaten zeigen zudem: Seit der Corona-Pandemie ist Lesen wieder angesagter. Der Buchmarkt wird derzeit vor allem von jüngeren Käuferinnen und Käufern getragen. Ihre Zahl ist seitdem um knapp zehn Prozent gestiegen. In älteren Altersgruppen bleibt Lesen zwar präsent, wächst aber deutlich langsamer oder geht leicht zurück.
Insgesamt haben rund 87 Prozent der Deutschen im vergangenen Jahr mindestens ein Buch gelesen – gedruckt oder digital.
Zwischen Buchmesse, Straßenalltag, Social Media und Statistik zeigt sich: Lesen bleibt relevant – aber nicht für alle gleich.
Leipzig zeigt 2025, wie vielfältig Buchkultur heute ist: zwischen Gestaltung, Generationen und neuen digitalen Impulsen. Nicht als Nostalgie – sondern als bewusste Entscheidung.