Sa, 31.08.2019 , 10:45 Uhr

Studie zeigt: „Wer sich sicher fühlt, protestiert weniger gegen Migration“

Chemnitz- Die Juniorprofessur Sozialpsychologie der TU Chemnitz führte in Folge der Ereignisse im Spätsommer 2018 eine Befragung der Bürger durch. Nun wurden die Ergebnisse der Studie veröffentlicht.

Um die Wahrnehmung der Ereignisse aus Sicht der Chemnitzer wissenschaftlich zu beleuchten und Erklärungen für die Vorkommnisse zu finden, führte im November 2018 das Team der Juniorprofessur Sozialpsychologie auf Initiative der Stadt eine repräsentative Befragung von 500 Chemnitzer Bürgern durch. Befragt wurden Frauen und Männer ab 18 Jahre und ohne Migrationshintergrund. Das Durchschnittsalter der Befragten, die aus fast allen Chemnitzer Stadtteilen stammen, betrug 61,5 Jahre. Der Großteil der Befragten war zwischen 51 und 70 Jahren alt. Angaben sollten die teilnehmenden Personen zu ihrer Wahrnehmung der Proteste gegen die Migrations- und Flüchtlingspolitik sowie Gegenproteste, ihrer Wahrnehmung von Sicherheit und Bedrohung, Kontakten zu Personen mit Migrationshintergrund und weiteren politischen sowie gesellschaftlichen Einstellungen machen. Für die computergestützten Telefon-Interviews wurden ausschließlich Personen mit Festnetz-Telefonanschlüssen herangezogen.

„Vierzig Prozent der Befragten gaben an, oft oder sehr oft positive Kontakterfahrungen mit Migranten gemacht zu haben, während nur weniger als sieben Prozent der Befragten oft oder sehr oft von negativen Erfahrungen berichteten“, sagt Jun.-Prof. Dr. Frank Asbrock, Inhaber der Juniorprofessur Sozialpsychologie und Leiter der Studie. Dennoch gab ungefähr die Hälfte der Teilnehmer (49 Prozent) an, Ausländer als Bedrohung der Sicherheit wahrzunehmen. „Diese Bedrohungswahrnehmung durch Migrantinnen und Migranten geht deutlich einher mit der Bereitschaft, sich an Protesten gegen die Migrations- und Flüchtlingspolitik wie denen im Spätsommer 2018 in Chemnitz zu beteiligen“, so Asbrock. Hingegen hängen positive Kontakterfahrungen sowie ein Gefühl von Sicherheit aus Sicht der Forschenden mit einer geringeren Bereitschaft, sich an derartigen Protesten zu beteiligen, zusammen. Die Studie zeigt auch, dass die Bereitschaft, gegen Fremdenfeindlichkeit zu protestieren, unter den Befragten deutlich höher ausgeprägt war (ca. 38 Prozent) als die Bereitschaft, gegen die Migrationspolitik zu protestieren (ca. 18 Prozent). Zudem wurde deutlich, dass weniger als die Hälfte der Befragten es für eher oder sehr wahrscheinlich hielten, sich in irgendeiner Form zu engagieren.

Frank Asbrock resümiert: „Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig das Gefühl der Sicherheit und die Wahrnehmung von Bedrohung sind. Wenn es rechten Gruppen gelingt, Ängste und Bedrohungswahrnehmungen zu schüren, können sie, wie beispielsweise in Chemnitz, erfolgreich sein und Menschen für ihre Sache mobilisieren.“ Insgesamt haben sich die Wahrnehmung von Bedrohung, die Kontakterfahrungen und das Gefühl von Sicherheit als die wesentlichsten drei Faktoren für die Einschätzungen der Ereignisse im August und September 2018 herausgestellt. Die Chemnitzer Sozialpsychologen sehen hier Ansatzpunkte für die Verbesserung der Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen in Chemnitz und darüber hinaus. „Wir bewerten die Ergebnisse unserer Studie als Bestätigung für die konkreten Bemühungen vor Ort, Möglichkeiten für positive Kontakte zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund herzustellen. Im Einklang mit weiterer Forschung lässt sich sagen, dass Bedrohungswahrnehmungen reduziert und Solidarität verstärkt werden können“, so Asbrock und fügt eine Erkenntnis aus der Studie hinzu: „Wer sich sicher fühlt, protestiert weniger gegen Migration.“

Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ mit rund 28.000 Euro gefördert und von der Stadt Chemnitz unterstützt. Die Studie „Die Situation in Chemnitz – Stimmungen nach dem August 2018“ ist hier abrufbar.

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